Es war ein Spektakel auf und neben der Straße. Fernsehen und Internet lieferten täglich stundenlang wunderschöne Bilder aus Frankreich sowie beeindruckende Impressionen vom Kampf der Radsportler um Sekunden, Punkte, Trikots und vor allem gegeneinander. Die Begeisterung für die Tour de France scheint ungebrochen oder wieder auf neue Höhen entflammt zu sein. Wer den Radsport liebt, wird von der Tour in den Bann gezogen. Sie lässt einen kaum mehr los.

Es sind die unglaublichen Leistungen, die die Radsportler Tag ein Tag aus über mehrere Stunden erbringen. Sie fahren in Tempi die Berge hoch und runter, das selbst ambitionierte Hobby-Leistungssportler nicht durchhalten würden. Sofern sie das Tagesziel überhaupt erreichten, kämen auch die Ehrgeizigsten wohl jedes Mal außerhalb der Karenzzeit an. Ein Ausschluss aus der Tour wäre die Folge. In den Bann ziehen ebenso die Dramen der Profis und ihrer Teams: Stürze, schwere Verletzungen, Aufgaben, aber auch der großartige Durchhaltewille. Das Leiden ist ein ständiger, offensichtlicher Begleiter der Profis und trägt zu ihrem Heroenkult bei.

Die Tour de France 2024, die am Sonntagabend endete, bestach mit beeindruckenden, gar verblüffenden Leistungen, besonders des extrem dominanten Siegers Tadej Pogacar aus Slowenien. Er gewann sechs Etappen einer dreiwöchigen Rundfahrt nachdem er bereits vier Wochen zuvor mit der gleichen Dominanz, aber noch größerem zeitlichem Abstand den Giro d‘ Italia gewonnen hatte. Er pulverisiert Streckenrekorde, die von Dopern aufgestellt worden waren und sieht danach nicht wirklich angestrengt oder gar erschöpft aus. Wie macht er das? Der Däne Jonas Vingegaard, der sich nach einem schweren Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt im April, schwerste Verletzungen zugezogen hatte und nach eigenen Worten um sein Leben fürchtete, fährt schon drei Monate – ohne zwischenzeitliche Wettkämpfe – auf den zweiten Platz der Tour. Wie ist das möglich?

Die Zweifel fahren wieder mit, wie zu den Hochzeiten des Dopings, als viele Fahrer und Teams systematisch mit unlauteren Mitteln zu Siegen fuhren. Damals hielt man viele erzielte Zeiten – wie auch in anderen Sportarten – nicht mehr für steigerbar. Heute erzählen sie alle wieder von verbesserten Materialien, besserem Training, besserer Ernährung, etc. Damit sind dann solche Leistungssteigerungen möglich?

In den Top 10 der besten 100 Meter Läufer, waren einmal von Platz 2 bis Platz 10 nur Sprinter gelistet, die in irgendeiner Form schon mit Dopingvergehen zu tun hatten. Nur Platz 1 stand mit Usain Bolt ein Sprinter, der niemals gedopt haben will. Wie ist es möglich, ohne Doping schneller zu laufen oder Rad zu fahren als mit entsprechenden Hilfsmitteln?

Es sind Zweifel, keine konkreten Verdachtsmomente gegen aktuelle Sportler. Doch die skeptischen Stimmen von Experten der Branche mehren sich. Neue Enthüllungen des berüchtigten Doping-Arztes Eufemiano Fuentes verstärken die Bedenken. Und wie beim bekanntesten Dopingfall des Radsports, Lance Armstrong, lässt sich manches vielleicht erst in Jahren überprüfen und aufdecken, denn die Fahnder hinken den Dopern und ihren Helfern weit hinterher. Oft braucht es sogar die Kronzeugen, die – wie im Fall Armstrong – die Lügengeschichte entlarven.

Die Tour sei größer als der Radsport, heißt es oft. Überführte Dopingsünder werden als – mehr oder weniger geächtete – Einzeltäter dargestellt, die den Mythos Tour nicht – oder nur kurz – beschädigen können. Bei der nächsten Austragung wird alles noch besser und größer. „La Grande Boucle“ ist ein zu großer Wirtschaftsfaktor, als dass die Verantwortlichen alles ans Tageslicht kommen lassen würden. Für Zuschauer und Radsportfans heißt es, sich entweder an den Bildern zu erfreuen und die Ergebnisse als nicht wichtig zu betrachten oder einfach abzuschalten.

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