Seit Beginn des Überfalls Russlands auf seinen Nachbarn Ukraine vor gut vier Wochen dreht sich eine wesentliche Frage in Deutschland und in der EU um die Abhängigkeit von den russischen Energieträgern Gas, Kohle und Öl. Die einen fordern den sofortigen Importstopp, um den Druck auf Staatschef Wladimir Putin zu erhöhen, weil er durch die Einnahmen seinen Krieg finanziert. Dagegen warnen die Vertreter der Unternehmen und der Verbände vor den verheerenden Folgen für die deutsche und die europäische Wirtschaft bei einem schnellen Ausfall der Lieferungen. Beide Seiten haben nachvollziehbare Argumente. Eine schnelle Einigung auf europäischer Ebene wird nicht möglich sein, da die Abhängigkeit der Länder von Russland unterschiedlich hoch ist. Trotzdem geht es vorwärts.

Die Politik der ruhigen Hand, die vor allem von der Bundesregierung vertreten wird, zeigt dabei größere Erfolge, als noch vor vier Wochen erhofft werden durfte. Die Reduktion des Energieimports und damit der Abhängigkeit von Russland in dieser kurzen Zeit ist erstaunlich. Die von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vorgelegten Zahlen zeigen, was möglich ist, wenn die  Kräfte gebündelt werden. Dass wir ab Herbst auf russische Kohle und ab Ende des Jahres auf russisches Erdöl verzichten können, ist ein Erfolg. Dass wir dagegen noch bis 2024 auf russisches Gas angewiesen sein werden, ist zwar ein Wermutstropfen, aber angesichts der über Jahre aufgebauten hohen Abhängigkeit nicht verwunderlich.

Habeck war in den vergangenen Tagen auf Einkaufstour und verhandelte auch mit Ländern wie Katar, deren politisches und wirtschaftliches Auftreten bisweilen fragwürdig ist. Abkommen mit dem Golfstaat sollten im besten Fall als Überbrückung dienen. Ähnliches gilt für die Lieferungen von Flüssiggas aus den USA. Deutschland darf dabei nicht in eine neue Abhängigkeit schlittern. Derzeit sind die USA unter Präsident Joe Biden ein verlässlicher Partner, doch anders als in Russland wechselt der US-Präsident häufig. Wie schnell sich dies ändern kann, haben uns die protektionistischen Maßnahmen des Vorgängers Donald Trump gezeigt. Man mag sich die Folgen nicht ausmalen, wenn dieser wiedergewählt würde.

Sollte Putin nächste Woche selbst ein Energieembargo verhängen, weil sich die EU richtig und konsequent weigert, die Lieferungen in Rubel statt der in den Verträgen vereinbarten Euro zu bezahlen, müsste Deutschland einen heftigeren Dämpfer in der wirtschaftlichen Entwicklung hinnehmen. Kurzfristig müssten die Menschen in Deutschland noch mehr Energie sparen und eventuell auch verordnete Einschränkungen hinnehmen. Außerdem wäre die Bundesregierung gezwungen, den Notfallplan zu aktivieren und zu entscheiden, wer noch wie viel Energie beziehen kann. Das wird uns alle hart treffen und es wird teuer. Allerdings wird es auch unsere Anstrengungen für eine Energiewende deutlich erhöhen.  Wir werden all das stemmen können und müssen. Es ist ein bezahlbarer Preis für die Freiheit und die Unabhängigkeit.

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