Obwohl die Einschränkungen riesig waren, scheinen einige Menschen, besonders in Führungspositionen, die Corona-Epidemie bereits aus ihrem Gedächtnis gestrichen zu haben. Sie vergessen, wie wichtig es war, bei Erkrankungen auf Abstand zu den Kollegen zu gehen, um das Ansteckungsrisiko gering zu halten. Nur so ist zu erklären, warum jetzt die Forderung nach Karenztagen – abgeschafft 1970 – wieder auftaucht, wonach Arbeitnehmer in den ersten Tagen einer Krankheit keinen Lohn mehr erhalten sollen. Allein die deutlich höhere Zahl der Krankheitstage im vergangenen Jahr kann jedenfalls keine ausreichende Begründung hierfür sein.

Würden die Karenztage wieder eingeführt, kämen mehr kranke Menschen zur Arbeit, weil sie es sich finanziell nicht leisten könnten, sich auszukurieren. Wer jedoch krank zum Arbeitsplatz kommt, kann nur einen Teil seiner Leistungskraft erbringen. Der Arbeitgeber muss demnach den gleichen Lohn für weniger oder gar schlechtere Ergebnisse bezahlen. Schlimmer noch, Fehler, die Arbeitnehmer infolge ihrer verminderten Fähigkeiten begehen, können das Unternehmen teuer zu stehen kommen. Steckt der Arbeitnehmer Kollegen an, kann der Schaden durch die Lahmlegung ganzer Abteilungen für das Unternehmen deutlich größer werden, als es durch die Karenztage an Kosten einspart.

Ist es nicht erstaunlich, dass solche Vorstöße gern von hochbezahlten Spitzenmanagern aus gut abgeschirmten Einzelbüros kommen? Es sind jene Führungskräfte, die quasi ihr privates Pflegepersonal im Vorzimmer ihres Wolkenkuckucksheims sitzen haben. Im Zweifel können sie zudem viele Aufgaben einfach delegieren. Es sind die gleichen Führungskräfte, die den Mitarbeitern zuerst schlechte Motive unterstellen. Nicht von ungefähr kommen aus diesen Etagen auch jene Forderungen, die die Home-Office-Tage begrenzen oder abschaffen wollen, weil jene Arbeitnehmer angeblich zu faul sind. Dabei arbeiten dort viele trotz Krankheit weiter.

Natürlich gibt es eine erkleckliche Zahl an Menschen, die Krankheiten nur vortäuschen und gerne mal ein oder zwei Tage blau machen. Die gab es schon immer und wird es weiter geben, egal wie die Regelungen aussehen. Eine Verallgemeinerung ist jedoch falsch. Vielmehr sollte zu denken geben, dass nur noch 48 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland motiviert bei der Arbeit sind. Die Ursachen sind vor allem schlechte Führung, eine schwache Unternehmenskultur, fehlende Kommunikation – besonders von oben nach unten – sowie Arbeitsstress bzw. Überlastung. Außerdem müssen noch zu viele Menschen Arbeiten tun, die nicht im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Interessen liegen.

Unternehmen, die solche Probleme lösen, haben meist eine deutlich geringere Zahl an Fehltagen. Firmen sollten zudem Manager von der Personalführung entbinden, wenn diese sich offensichtlich dafür nicht eignen. So ermöglichen sie Verbesserungen bei Leistung und Stimmung der Mitarbeiter. Je größer die Unternehmen sind, desto mehr Führungskräfte gibt es, die wenig zu tun haben und deshalb Zeit für dumme Ideen haben. Kürzen die Unternehmen hier konsequent, sparen sie womöglich mehr Geld als mit einer Karenztage-Regelung.

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