Jeder erinnert sich an den 9. November 1989 als die Mauer fiel, die die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik drei Jahrzehnte voneinander getrennt hatte. Die anfängliche Euphorie war groß. Es dauerte nicht einmal ein Jahr, bis es zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990 gekommen ist. In der Begeisterung über die unverhoffte historische Chance gingen die kritischen Stimmen unter, die vor einem schwierigen und extrem teuren Prozess des Zusammenwachsens warnten. Mit enormem Aufwand ist die Annäherung zwar vorangetrieben worden, doch seit ein paar Jahren scheint es wieder zur Entfremdung zwischen Ost und West zu kommen.

Die Bundestagswahl am 23. Februar zeigte mit brutaler Deutlichkeit, wie weit sich die östlichen Bundesländer, die der ehemaligen DDR entsprechen, politisch von den westlichen Bundesländern entfernt haben. Die AfD hat in diesen Ländern mehr Stimmen geholt, als die CDU und die SPD zusammen. Wenn die Vorsitzende Alice Weidel das Wort von der Volkspartei in den Mund nimmt, kann man ihr kaum widersprechen. Zumindest die SPD hat diesen Status spätestens mit dieser Bundestagswahl verloren. In vielen Teilen Deutschlands erfüllt selbst die CDU diese Position nicht mehr.  Im Sinne einer leichteren Regierungsbildung können CDU und SPD von Glück reden, dass das BSW an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist.

Das Ergebnis der Bundestagswahl ist auch die Folge einer zehn Jahre langen Ignoranz der regierenden Parteien gegenüber den Sorgen, Problemen und Ängsten eines Großteils der Bevölkerung. Die Zahl der Menschen ist stark gewachsen, die die Migrationspolitik für falsch halten. Viele Gemeinden fühlen sich aufgrund der hohen Zuwanderung überfordert, obwohl sie ihnen prinzipiell aufgeschlossen gegenüber stehen. Überall ist zu hören, wie sich deutsche Staatsbürger gegenüber Migranten benachteiligt fühlen. Unter der Hand erfährt man, wie Behörden nicht mehr in der Lage sind, finanziellen Missbrauch zu kontrollieren. Die zunehmende Zahl der Attentate vermittelt vielen Menschen das schlechte Gefühl, im eigenen Land nicht mehr sicher leben zu können.

Wenn sich die Wähler deshalb in Scharen einer Partei zuwenden, obwohl diese in Teilen rechtsradikal ist, haben die Bundesregierungen Politik an den Menschen vorbei gemacht. Es reicht nicht, nur auf die AfD einzuschlagen und deren Mitglieder als braune Schmuddelkinder darzustellen. Die anderen Parteien haben die AfD zu lange als Protestpartei abgetan, mit der sie nichts zu tun haben wollten. Sie bemerkten zu spät, dass nicht jedes Argument aus deren Reihen falsch ist. In allen Bevölkerungsschichten gibt es Menschen, die manchen AfD-Vorschlag für diskussionswürdig oder gar richtig erachten.

Eine Partei oder eine Ideologie lässt sich nicht bekämpfen, indem man sie nur verunglimpft. Dies zeigt sich auch in anderen europäischen Ländern. Man muss sich mit ihr auseinandersetzen, ihr mit Argumenten entgegentreten. Eine Brandmauer zur AfD zu errichten, war der falsche Weg. Das haben schon die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen verdeutlicht. Die AfD hat es leicht, sich als Opfer darzustellen und kann in der Opposition auch Absurdes fordern, ohne Konsequenzen erleiden zu müssen. Wenn die AfD Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und Kompromisse eingehen muss, um Ziele zu erreichen, kann sie entlarvt werden. Dann muss sie auch negative Reaktionen der Wähler hinnehmen. Stattdessen haben die alten Parteien eine neue Mauer errichtet, die sie nur mit Mühe und guter Arbeit wieder einreißen können.

Ein Kommentar

  1. Dem kann ich weitgehend zustimmen, weil wir in Österreich das beste Beispiel gesehen haben. Dort hat sich die FPÖ mit Kanzlerkandidat Kickl in ihrer Kompromisslosigkeit und ihrer Überheblichkeit verannt.

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