Nirgendwo wird so viel geheuchelt wie auf Beerdigungen. Nach dem Motto, über Tote soll man nichts Negatives sagen, werden die Verstorbenen über den grünen Klee gelobt, selbst wenn dies mit der Realität wenig zu tun hat. Oft wird dies auch aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen gemacht, dabei kennen diese die guten und schlechten Seiten des Verblichenen wohl am besten.

Das gleiche gilt auch für einen ehemaligen Papst. Viele Politiker, Geistliche und Prominente fühlen sich bemüßigt, den verstorbenen, emeritierten Papst Benedikt XVI. in den schönsten Worten zu würdigen. Manche heben ihn auf einen so hohen Sockel, dass man sich fragt, ob hier von einer anderen Person gesprochen wird. Nach kritischen Stimmen muss man schon fast suchen.

Schon als Kardinal Joseph Ratzinger am 19. April 2005 zum 265. Papst gewählt wurde und die Bild-Zeitung titelte: „Wir sind Papst“, ging der patriotische Überschwang der Überschrift an der Realität vorbei. Viele Katholiken hatten sich bereits von ihrer Kirche entfremdet und die Tatsache, dass seit 500 Jahren erstmals wieder ein Deutscher an die Spitze des Vatikans gewählt wurde, sorgte nur für eine kurzzeitige Euphorie – ebenso, wie wenn wir Deutschen Fußball-Weltmeister werden.

Papst Benedikt XVI. hat sich jedoch schnell als erzkonservativer Theologe herausgestellt, der nicht erkannt hat, dass sich die katholische Kirche grundlegend verändern muss. Seine rückwärtsgerichteten Theorien, seine irritierenden Aussagen zu anderen Religionen, sein Umgang mit Personen mit Nazi-Vergangenheit und sein unzureichendes Handeln in der Aufarbeitung der Missbrauchsskandale sowie sein Abstreiten eigener Verantwortung hierfür haben ihn als Betonkopf gezeigt. Er trägt deshalb eine erhebliche Verantwortung dafür, dass der katholischen Kirche Jahr für Jahr die Mitglieder in Scharen davonlaufen.

Manche fordern trotzdem, den früheren Führer der katholischen Kirche noch vor seiner Beisetzung, heilig zu sprechen. Aus Sicht der Kirche mag dies vielleicht gerechtfertigt sein, doch täte sie gut daran zu warten, bis die Mitverantwortung Benedikts XVI. für die Missbrauchsskandale aufgeklärt ist. Die Kirche selbst muss sich ein Stück weit von ihrem traditionellen Personenkult – besonders um den Papst – entfernen, so wie es Papst Franziskus bereits begonnen hat. Viele in der katholischen Kirche klammern sich an alten Strukturen fest und realisieren zu langsam, wie ihnen die Basis wegbricht und damit ihre Zukunft gefährdet. Letztendlich ist der Papst nur ein von Kardinälen gewählter normalsterblicher Mensch. Dieser steht einer großen Organisation vor, der es vor allem immer um den Erhalt ihrer Macht weit über die Kirche hinaus und den Einfluss auf die Menschen in allen Bereichen geht.

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