Der deutsche Fußball-Rekordmeister FC Bayern München stellt seinen Cheftrainer Julian Nagelsmann und dessen drei Assistenztrainer nach nur eineinhalb Jahren frei. Die Entscheidung der Vereinsführung ist eine Überraschung, zumal die Mannschaft noch in allen Wettbewerben sehr gute Chancen auf den Titel hat. Entsprechend dürftig fällt die Begründung aus, wonach der Kader immer seltener seine Qualität gezeigt und immer weniger erfolgreich und attraktiv gespielt habe. Deshalb seien die Saisonziele in Gefahr. Dieses Luxusproblem hätten die anderen 17 Bundesligisten auch gerne. Vieles spricht dafür, dass es noch andere gravierende Gründe für die Entlassung gegeben hat.

Der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidžić haben beinahe einen ganzen Tag benötigt, um die Personalie öffentlich zu machen, obwohl die Nachricht samt des Nachfolgers Thomas Tuchel schon am Vorabend von mehreren Medien übereinstimmend verbreitet worden war. Es ist ein weiterer Beleg für die seit Monaten mangelhafte Öffentlichkeitsarbeit des Vorstands. Sie waren nicht in der Lage, die Schotten dicht zu halten. Souveränität sieht anders aus. Die Nervosität und die Angst vor Misserfolgen muss ziemlich groß gewesen sein, um zu diesem Zeitpunkt das Trainerteam zu wechseln. Gleichzeitig folgen sie alten Mustern und opfern den Trainer, obwohl einige Spieler seit Wochen weit unter ihrem Niveau spielen. Lieber pampert der Verein hochdotierte, hochsensible Spieler, als das avisierte langfristige Konzept umzusetzen.

Hinzu kommt, dass der Vorstand mit der vorzeitigen Entlassung Nagelmanns sehr viel Geld verbrennt. Es ist nicht nur die hohe Ablösesumme von 25 Millionen Euro, die der Verein hingeblättert hatte, um ihn aus Leipzig wegholen zu können. Der Vertrag Nagelmanns wäre noch bis 2026 gelaufen. Ohne die Details der Trennungsvereinbarung zu kennen, dürfte dies den Verein noch einen satten zweistelligen Millionenbetrag kosten. Zudem dürfte das Gehalt Tuchels für die – geplanten – nächsten beiden Jahre ebenfalls eine solche Größenordnung haben. Das Prinzip der seriösen finanziellen Planung, die Uli Hoeneß immer verfolgt hat, geben Kahn und Salihamidžić leichtfertig auf. Kritik am finanziellen Gebaren anderer europäischer Vereine kann sich die Bayern-Führung künftig schenken.

Der lange Vertrag für Nagelsmann und die Ankündigung, ein langfristiges Konzept mit dem hochgelobten Trainer erarbeiten zu wollen, erweist sich wieder einmal als hohle Phrasendrescherei. Genau genommen war es schon überholt, als der Verein tief in die Kasse griff, um mehrere international bekannte Spieler zu kaufen, deren Fähigkeit doch nicht dem Bayern-Anspruch genügen. Deshalb müssen auch alle Bekenntnisse zum dann wieder hochgelobten Trainer Tuchel mit kurzer Verfallszeit bewertet werden. Als Willkommensgeschenk darf sich Tuchel sicherlich noch ein paar Spieler wünschen.

Die lange Erfolgsserie in der Bundesliga scheint für den Verein bereits eine Selbstverständlichkeit zu sein. Nur der Sieg in der Champions League, besser noch das Triple, scheint den Dauermeister noch glücklich machen zu können. Damit der gesamte Verein mal wieder geerdet wird, wäre jedoch ein Jahr ohne Titel wünschenswert. Dabei könnten die Verantwortlichkeiten auch mal nach Freiburg, Frankfurt und zu Union Berlin blicken, wo mit bescheidenen finanziellen Mitteln, aber mit viel Leidenschaft auch Erfolge erzielt werden. Aber wahrscheinlich ist das unter deren Niveau. Schließlich gilt immer „Mia san mia“ und das ist eine ganz andere – abgehobene – Liga.

Ein Kommentar

  1. Moral, Ethik und Vertragstreue werden im Fußball selten, aber große Reden können sie alle halten

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