Was amüsieren wir uns in Deutschland immer wieder über das politische System in Italien. Im Parlament sitzen so viele Parteien, damit ist jede noch so kleine Klientel repräsentiert. Die Regierungszeiten der 68 Regierungen sind seit dem zweiten Weltkrieg mit durchschnittlich 14 Monaten Dauer extrem kurz, weil kleine Parteien die wackeligen Bündnisse schnell sprengen können. So macht es Spaß, darauf zu wetten, wie lange eine neue Regierung durchhält. Die aktuelle Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, bei der viele auf eine sehr kurze Amtszeit gesetzt hatten, regiert bereits länger als die durchschnittliche Regierungszeit, obwohl 17 Parteien im Parlament vertreten sind.

Wie können wir uns in Deutschland glücklich schätzen, nur sechs Parteien im Bundestag vertreten zu haben. Die meisten Regierungen waren ziemlich stabil und haben in der Regel die volle Wahlperiode von vier Jahren durchgehalten. Mit dem Zerfall der beiden einstigen Volksparteien SPD und CDU sowie dem Aufkommen neuer Parteien wächst in Deutschland die Wahrscheinlichkeit italienischer Wahlverhältnisse. Zudem nimmt die Macht der kleineren Parteien zu, weil sie das Zünglein an der Waage werden und ihr Erpressungspotenzial größer wird.

Viele Beobachter sehen in der Dreierkonstellation aus SPD, Grünen und FDP bereits den ersten Vorboten für zunehmend schwieriger Regierungen, die aufgrund ihrer Streitigkeiten mehr mit sich selbst beschäftigt sind, als mit dem Lösen politischer und wirtschaftlicher Probleme. Man könnte zu dem Schluss kommen, dass eine Koalition aus drei Parteien nicht effizient ist, weil sie nur Ergebnisse auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners hervorbringen können. Man könnte aber auch schlussfolgern, die drei Parteien und ihre Protagonisten passen einfach nicht zusammen.

Es ist ja so, dass wir ähnliche Konstellationen schon in früheren Regierungen vorgefunden haben. Wir hatten in der Bundesrepublik seit 1949 niemals eine Regierung aus nur zwei Parteien. In vielen Analysen tritt die Rolle der CSU in den Hintergrund. Sie ist eine eigenständige Partei und kein  Teil der CDU, auch wenn sie mit ihr im Bundestag in einer Fraktionsgemeinschaft auftritt. Je nachdem, von welcher machthungrigen Persönlichkeit die CSU geführt wird, tritt sie mehr oder weniger stark als Opposition zur CDU auf. Sie mischt sich in Angelegenheiten ein, die die Regionalpartei nichts angehen. Sie hat auch keine Hemmungen, die Bundesregierung, in der sie Mitglied ist, vor sich herzutreiben und zu erpressen. Das wird sich nicht ändern, so lange die CSU eine Bayernpartei bleibt und die CDU nicht im Freistaat antritt.

Eine vergleichbare Rolle in der von Kanzler Olaf Scholz geführten Bundesregierung nimmt die FDP ein. Zwar liegt sie mit ihrem Wahlergebnis deutlich über ihrem Durchschnitt der bisherigen Bundestagswahlen. Mit ihrem politischen Anspruch, den sie daraus ableitet, liegt sie jedoch wieder einmal völlig daneben. Die Partei nutzt ihr erpresserisches Potenzial für stilloses Taktieren. So lange dies in innenpolitischen Themen passiert, ist es zwar sehr ärgerlich, aber der Schaden hält sich noch in Grenzen. Wenn die FDP jedoch auf europäischer Ebene politische Kompromisse aushandelt, die Bundesregierung dann aber dazu zwingt, sich bei der Abstimmung zu enthalten oder gar dagegen zu stimmen, treibt sie ein infames Spiel. Davon abgesehen, dass sich die Partei als unglaubwürdig präsentiert, blamiert sie Deutschland als Nation und verärgert selbst die europäischen Partner, die uns nahe stehen. Fährt sie ihren Kurs fort, wird dieser die Partei nicht nur aus weiteren Landesparlamenten führen, sondern auch – wie 2013 – aus dem deutschen Bundestag.

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