Du kannst alles erreichen, wenn Du an Dich glaubst, Leidenschaft hast und fleißig bist. Der Satz könnte aus dem Handbuch für Motivationstrainer stammen. Natürlich braucht es auch etwas Talent, Ausdauer sowie Geduld und sicherlich eine gute Portion Glück, um ganz nach oben zu kommen. Alle diese Fähigkeiten haben wir in den vergangenen Jahren bewiesen. So sind wir Welt- und Europameister in vielen Sportarten geworden. Wir wurden sogar Papst und sind EU-Kommissionspräsidentin.

Derzeit hoffen wir darauf, noch ein paar Mal Olympiasieger zu werden. Wir fühlen uns gut, haben in unserem Wohnzimmer alle Vorbereitungen getroffen. Einen großen Vorrat an Speisen und Getränken angelegt und geben nun wirklich alles.

Erste Erfolge sind sichtbar: Wie fast immer waren wir im Dressurreiten wieder eine sichere Bank. Die Damen und die Pferde, die wir nach Tokio geschickt haben, erfüllten unsere Erwartungen voll und ganz. Insofern haben wir uns gefreut. Die Goldmedaillen haben uns aber noch nicht aus den Sesseln gerissen.

Diese Slalomkanutin – wie hieß sie doch gleich? – hat uns doch überrascht. Wir sind nun also auch im wilden Wasser Olympiasieger. Das bringt zwar international nicht so viele Lorbeeren wie ein Sieg in der Leichtathletik, aber den Titel nehmen wir trotzdem gerne.

Insgesamt müssen wir allerdings nach der ersten Olympiawoche ein düsteres Fazit ziehen. Nur Platz zehn in der Medaillenwertung. Die Ruderer haben versagt. Gerade mal zwei Silbermedaillen ist gar nichts. Schließlich ist der Zweite der erste Verlierer. Bronzemedaillen sind zwar auch nett, sind aber nur ein schwacher Trost, wenn wir den Titel anstreben.

Wir haben uns deutlich mehr erhofft, schließlich schlugen wir uns die Nächte um die Ohren. Auf dem Sofa haben wir alles bei Bier und Chips kritisch kommentarreich verfolgt und uns so schon mindestens drei Kilo angefressen. Wir wollen uns nicht vorwerfen lassen müssen, für das große Ziel nicht alles gegeben zu haben.

Überhaupt müssen wir feststellen, dass so viele Sportler unseren – wirklich keinesfalls überzogenen – Anforderungen nicht standhalten. Das hat es früher nicht gegeben, dass sich jemand wegen mentaler Belastung aus dem Wettbewerb verabschiedet. Wir wünschen uns etwas mehr Standhaftigkeit und Durchhaltevermögen. Fünf Jahre brauchten die Sportler nichts anderes zu tun, als in ihrer Disziplin zu trainieren und sich auf Tokio vorzubereiten. Alles andere wurde ihnen abgenommen von einem gigantischen Betreuerstab. Außerdem werden sie mit Geld überschüttet, für das wir viel härter arbeiten müssen.

Die Corona-Pandemie lassen wir nicht als Entschuldigung für schlechte Leistungen gelten, schließlich mussten wir unter den Beschränkungen genauso leiden. In der harten Phase durften wir nicht einmal ins Fitnessstudio. Wir haben uns trotzdem akribisch selbst in den Sportarten ein umfassendes Wissen angeeignet, die uns ansonsten abseits der Olympischen Spiele nicht interessieren. Wir zeigen über Tage und Nächte herausragende Ausdauer und Trinkfestigkeit vor dem Fernseher. Für diese außergewöhnlichen Höchstleistungen haben wir deutlich mehr Olympiasiege verdient.

Ein Kommentar

  1. Sehr schön – eine Goldmedaille für den Schreiber dieser „starken“ Glosse!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert