Wann ist ein Mann ein Mann? Diese bedeutende Frage hat Herbert Grönemeyer vor einem Vierteljahrhundert vertont. Abschließend beantwortet ist sie nicht. Nicht wenige sagen, der Bart macht den Bubi zum Mann. Ein Bart allein symbolisiert aber noch nicht den echten Mann, der sollte zumindest einen Baum fällen, ein Feuer machen und ein Auto reparieren können.
Ginge es nach der Senioren-Bravo Apotheken-Umschau, müssten sich alle Bartträger entmannen, wenn sie eine FFP2-Maske tragen wollten. Der Bart verhindere, dass die Maske dicht abschließe und somit besser schützen könne als andere Masken. Das sieht auch der Leiter des Bereichs Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, Professor Johannes Knobloch, so. Der Präsident der Vereinigung der Notärzte in Frankreich, Patrick Pelloux, bewertet den Bart ernsthaft sogar als Coronarisiko, weil sich Erreger mehrere Stunden darin halten könnten.
Was sich wie ein listiges Konjunkturprogramm für Barbiere anhört, scheitert nicht nur am Lockdown, sondern entpuppt sich als niederträchtiger, von Neid getriebener Angriff der gesichtsnackten Männchen Knobloch, Pelloux sowie Markus Söder auf die herrliche Männerpracht. Der bayerische Ministerpräsident musste ja mit der verordneten FFP2-Pflicht mal wieder voranpreschen. Bei einer FFP2-Pflicht dürften Bartträger aber in Läden und öffentlichen Verkehrsmitteln eigentlich nicht zugelassen werden. Deshalb braucht es wohl wieder einen Barterlass, wie ihn mancher aus der Bundeswehrzeit kennt. Damit würde sich Söder viele Freunde machen.
Nach allem Anschein gehört auch der frühere Audi-Vorstandschef Rupert Stadler nicht zu den echten Männern. Weder trägt er Bart, noch kann er ein Auto reparieren. Zu seiner Verteidigung im Diesel-betrugsprozess sagte er, er habe keine Ahnung von diesen Dingen, weil er nur über »rudimentäres Technikverständnis« verfüge. Zugegeben, ein modernes Auto ist ohne Diagnosecomputer nicht so leicht zu reparieren wie ein VW Käfer. Doch von einem, der sein halbes Leben im Autokonzern verbrachte und lange eng mit den technikbesessenen, aber bartlosen Audi- und VW-Chefs Ferdinand Piëch und Martin Winterkorn zusammenarbeitete, darf man etwas mehr Technikwissen erwarten.
Einen echten Kerl würde zudem charakterisieren, zu seinen Taten zu stehen. Aber auch in diesem Punkt hatte Stadler nicht nur mit Piëch und Winterkorn gute Vorbilder. Oft haben wir gesehen, wie schwer es Konzernchefs fällt, die Verantwortung zu übernehmen, obwohl sie die Verantwortung hatten. Warum ändert sich daran so wenig? Die Diskussion darüber wäre eine um des Kaisers Bart.
Januar 2021