Es gibt sie noch die Zeichen und Wunder. Nein, nicht die kleinen positiven Überraschungen des Tages, sondern die großen, also jene, die nahezu biblische Ausmaße erreichen. Solche erstaunlichen Ereignisse sind sogar – wenn auch extrem selten – in der Metall- und Elektroindustrie möglich. Die schnelle Einigung in der Tarifrunde 2024 innerhalb weniger Tage verblüfft auf den ersten Blick. Beide Parteien verzichteten auf die üblichen Rituale. Die Gewerkschaft kam ohne die langen, ausufernden Streiks aus. Die Arbeitgeber legten zügig ein verhandelbares Angebot vor.
Die Medien tun sich diesmal schwer, von einem Tarifkonflikt oder einer Auseinandersetzung zu sprechen bzw. zu schreiben. Dafür kam die Einigung zu früh. Trotzdem wäre es keine echte Tarifrunde, hätten die Vertreter der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmer nicht die Nacht durch verhandelt. Ohne diese nächtlichen harten Ringkämpfe ist kein Abschluss möglich. Erst wenn die Teilnehmer sich kaum noch auf den Beinen halten können und mit roten, verquollenen Augen den Kompromiss verkünden, ist das Ergebnis für alle akzeptabel.
Der zweite Blick macht jedoch deutlich, dass das rasche Ende der Tarifrunde vor allem dem hohen Druck der wirtschaftlichen Situation geschuldet ist. Die Krise in der deutschen Automobilindustrie sowie die schwache gesamtwirtschaftliche Entwicklung haben die Eckpfeiler gesetzt, um übertriebene Forderungen einzudämmen. Die Angst um eine erhebliche Kostensteigerung, die die Sparmaßnahmen der Unternehmen verschärfen könnten sowie die Sorge der Arbeitnehmer um ihre Arbeitsplätze, trugen zur raschen Einigung bei.
Die Begeisterung von IG Metall und Gesamtmetall ist riesig. Es klingt sogar so, als wäre vor allem die IG Metall erstaunt darüber, dass eine Tarifrunde „irgendwie zivilisiert“ mit guten Ergebnissen zu Ende gebracht werden kann. In ihrer Euphorie sehen sich die Beiden sogar als Vorbild für die Politik. Sie wollen ein Signal an die Politik senden, sich endlich zu „ordnen“ und die Rahmenbedingungen für die Unternehmen in Deutschland zu verbessern.
Wahrscheinlich war die Tarifeinigung 2024 nur ein positiver Ausrutscher. Bei verbesserten Rahmenbedingungen werden die Tarifpartner wohl in alte Muster zurückfallen. Aber stellen wir uns vor, die politischen Parteien würden wie Tarifpartner agieren. Lange Nachtsitzungen kennen die Parteien bereits. In der Ampel-Bundesregierung gab es zuletzt einige. Vielleicht hätte aber die FDP zur Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen Forderungen in den Warnstreik treten sollen. Womöglich hätte das den Rauswurf (entspricht dies der Aussperrung?) des Finanzministers nicht verhindert. Das gleiche Recht wäre natürlich der SPD zugestanden, um die Schuldenbremse auszusetzen, hätte aber wohl dem Kanzler geschadet. Die Grünen fänden sicher mehrere Klimagründe, um zu streiken. Das brächte ihnen inzwischen aber keinen größeren Beifall mehr.
Weil sie sich nur schwer einigen können, streikten im schlimmsten Fall alle drei Parteien gleichzeitig und legten das Land für längere Zeit lahm – ebenso wie es einige Gewerkschaft immer wieder prächtig umsetzen. Als Spötter kann man jedoch zu dem Schluss kommen, dass dies in der derzeitigen Politik bereits Realität ist, wahrscheinlich gibt es deshalb bald die Neuwahlen.