Es war einmal ein Leiter einer Lokalausgabe einer Regionalzeitung im Süden Deutschlands, der war mächtig stolz darauf, der einzige Lokalchef weit und breit zu sein, der diese Position mit einem Hauptschulabschluss erreicht hat. Er betrachtete sich als soliden journalistischen Handwerker. Er hatte keine besonders hohe Meinung von den jungen Leuten, die mit irgendeinem Hochschulabschluss in der Tasche in die Redaktionen strebten und die journalistische Welt neu gestalten wollten. Intensive Diskussionen mit jenen pflegte er häufig damit zu beenden, dass er sie als akademisch – damit als nutzlos – bezeichnete.
Allen Bachelor- und Masterabsolventen, die so stolz auf ihr erworbenes Wissen sind, sei gesagt, früher – also vor eurer Geburt – war ein Hauptschulabschluss mindestens so viel wert, wie ein Abitur heute. Diese Absolventen konnten noch lange Texte lesen und (meist) verstehen sowie längere Texte mit der Hand schreiben. Sie waren sogar in der Lage, Rechenaufgaben ohne Taschenrechner zu lösen. Allerdings gab es damals noch keine Pisa-Studien, die dies belegen könnten. Es handelt sich um überlieferte Erkenntnisse.
Gleichwohl wäre der besagte Lokalchef niemals auf die Idee gekommen, sich als einen Intellektuellen zu betrachten. Vielmehr disqualifizierte sich für ihn eine Person, die nur den Hauch von Intellektualität versprühte, für einen engeren persönlichen Kontakt. Besonders schön muss es für ihn gewesen sein, alles was intellektuell daherkam, qua Amt mit Banalitäten zu übertünchen.
Natürlich kann man zu dem Schluss kommen, dass der besagte Herr gar nicht wusste, was einen Intellektuellen ausmacht. Deshalb sei hier ausnahmsweise aus Wikipedia zitiert: Ein Mensch, der wissenschaftlich, künstlerisch, philosophisch, religiös, literarisch oder journalistisch tätig ist, dort ausgewiesene Kompetenzen erworben hat und in öffentlichen Auseinandersetzungen kritisch oder bejahend Position bezieht. Das liest sich schon ziemlich gut und viele werden sich dort gern charakterisiert sehen.
Für die Zeitung Die Welt sind die Intellektuellen jedoch noch nicht das Ende der hochgeistigen Fahnenstange. In einem Meinungsbeitrag nutzte der Autor den Begriff des Premium-Intellektuellen. Aus der kreativen Werbesprache wissen wir, premium gibt vor, von besonderer Qualität zu sein. Objektiv ausgedrückt steht das Adjektiv für erstklassig, hochwertig. Demnach gibt es also erstklassige, hochwertige Intellektuelle. Mein Intellekt reicht nicht aus, um zu erahnen, was diese Menschen auszeichnet, denen dieses Prädikat angehängt wird. Vermutlich handelt es sich um eine Art Universalgelehrte. Diese Spezies gilt jedoch bereits seit dem 20. Jahrhundert als ausgestorben. Vielleicht ist eine durch künstliche Intelligenz hochgezüchtete geniale Kreatur?
Manchmal hilft es, wenn man sich einem Begriff von seiner gegenteiligen Bedeutung annähert. In der Werbesprache ist billig das Gegenteil von premium. Dann gibt es wohl einen Billig-Intellektuellen? Das könnte einer sein, der zu allem was intellektuell Klingendes sagen kann, aber von nichts eine Ahnung hat. Bisweilen wird Economy als passendes Gegenstück zu Premium angesehen. Damit ist schon mal klar, dass sich die Premium-Intellektuellen deutlich von den Economy-Intellektuellen abheben. Flugreisende der Lufthansa kennen aber auch die Premium-Economy. Nein, das lässt sich nun beim besten Willen nicht mehr intellektuell erklären.
Final bleibt nur eine provozierende Mutmaßung: Ein pseudo-intellektueller Editor versucht durch die Verwendung eines verquasten Begriffs seine Inkompetenz zu kaschieren, die entwickelten These mit Argumenten in klarer, deutscher Sprache ohne Fremdworte zu fundieren.