Die Kleber kleben weiter. In einem als Friedensgespräch deklarierten Meinungsaustausch mit Bayerns Innenminister Joachim Herrmann auf Einladung des evangelischen Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm haben die Vertreter der Aktivisten der letzten Generation betont, an Weihnachten soll es keine Klebepause geben. Das hatte der Bischof vorgeschlagen. Die Klimaretter wollen die Blockaden nicht nur weiterführen, sondern die Proteste ausweiten.
Es ist wirklich beeindruckend, wie leidenschaftlich diese jungen Menschen für ihre – pardon unsere – Sache kämpfen. Selbst zur besinnlichen Zeit wollen sie sich und uns keine Ruhe gönnen. Die Politiker und die Behörden sollten dieses überwältigende Engagement uneingeschränkt unterstützen. So könnte die bayerische Landesregierung die Aktivisten mit kostenlosem Klebstoff versorgen. Vielleicht könnte die Polizei ein paar Kräfte freistellen, die den Aktivisten beim Ankleben ihrer Hände helfen. Die wahren Klimaaktivisten lassen sich mit freundlicher Unterstützung gerne beide Hände auf den Asphalt kleben.
Zudem sollten die Klebeaktivisten ihre Aktivitäten mit denen anderer Demonstranten koordinieren. Vergangenen Mittwoch haben in München am Königsplatz 13 000 Menschen – Schüler, Eltern, Lehrer – für mehr finanzielle Unterstützung der Privatschulen demonstriert. Es wurde dabei keine Person gesehen, die sich festgeklebt hatte. Auch bei den Demonstrationen für die iranischen Frauen gab es nach unseren Erkenntnissen keine Hingeklebten. Das zeugt für schlechte Koordination zwischen den Organisatoren.
Die Stadt München könnte die 42 Hektar große Theresienwiese, die fast durchgehend asphaltiert ist, bis zum nächsten Frühlingsfest zur Verfügung stellen. Dort könnten sich alle Demonstranten gegen dies oder jenes bzw. für dies oder jenes zusammentun und sich festkleben. Von professioneller Hand organisiert, könnte ein wunderschönes Event entstehen, eine Art Messe der Demo-Ideen. Weihnachtsspaziergänger könnten als Abwechslung zur Völlerei zwischen den Angeklebten flanieren und bei konkretem Interesse das eine oder andere Gespräch mit den Klebern führen. Als Sponsoren ließen sich sicherlich Kleberhersteller gewinnen, die zugleich über das richtige Ankleben an verschiedene Materialien informieren könnten. Das wäre auch für Besucher interessant. Zum Kleben gibt es schließlich immer was.
Wenn die Klimaaktivisten so viel Unterstützung erführen, wären sie bestimmt bereit, bei anderen Aktionen zusammenzuarbeiten. Wenn Autobahnen oder andere mehrspurige Straßen mit Menschen beklebt werden sollen, wäre eine frühzeitige Information hilfreich. So könnten die Behörden mithilfe der Pioniere der Bundeswehr Behelfsbrücken über die Angeklebten bauen, so dass der Verkehr über die Aktivisten hinwegrollen kann, ohne dass jemand zu Schaden kommt. Das wäre im Sinne der Aktivisten, denn so können sie kleben bleiben, so lange sie wollen. Außerdem werden damit Staus verhindert, die den CO2-Ausstoß deutlich erhöhen. Eine tolle Win-Win-Situation.
Polizisten sollten es unterlassen, die Mitglieder der letzten Generation von der Straße zu lösen. Diese ständige Ankleben und wieder ablösen ist ineffizient. Lasst sie kleben, irgendwann werden sie Hunger und Durst haben oder auf die Toilette müssen. Wenn ihnen kalt wird, werden sie das Bedürfnis haben, sich zu bewegen. Sie werden große Lust verspüren, Bäume zu pflanzen, Moore zu renaturieren oder Müll der Wegwerfgesellschaft einzusammeln. Sie könnten für andere Menschen Erledigungen übernehmen und zum Einkaufen gehen oder mit dem Radl fahren, damit diese ihre Autos stehen lassen. Daraus ließe sich von professioneller Hand noch ein schönes Event organisieren – für viele Ideen, wie sich jeder in den Klimaschutz einbringen kann. Bei den Gedanken wird einem warm ums Herz.
An dem Text bleibe ich gerne kleben. 👏😁
Die bayerische Landeshauptstadt München verbietet für vier Wochen alle Proteste von Klimaaktivisten auf ihrem Stadtgebiet, „bei denen sich Teilnehmende fest mit der Fahrbahn oder in anderer Weise fest verbinden. Das berichtet die Tagesschau in einer Eilmeldung am Freitagabend, 9. Dezember.