Wäre es nicht schön, in Deutschland wieder einen König oder eine Königin zu haben? Dann hätten wir jemanden zum Anschmachten oder Ablästern, bräuchten nicht nach England, Spanien oder Norwegen gieren. Mancher wird sich an Rio Reiser erinnern und sich ausmalen, was er alles tun würde, wenn er Kanzler, Kaiser, König oder Königin wäre. Das Streben nach höheren Weihen ist kein deutsches Phänomen. Für die globale Vermarktung muss man sich mindestens King nennen. Natürlich sollte man ein bisschen was auf der Pfanne haben, viel Knete besitzen oder über ein großes Ego verfügen, um sich über andere zu erheben.
Elon Musk vereint all dies auf sich. Mit dem Bezahldienst PayPal ist er reich geworden. Mit Tesla fordert er die renommierten Autobauer heraus. Sein Raumfahrtunternehmen SpaceX gibt ihm die Möglichkeit, abzuheben und er ist verrückt genug, um mit dem Hyperloop Menschen fast in Überschallgeschwindigkeit durch Röhren zu schießen. Solche Menschen können nicht einfach Chef sein, deshalb nennt er sich nun passend »Technoking«.
Heutzutage braucht es auch für die einfältigsten Tätigkeiten aufgeblasene Berufsbezeichnungen und Titel, um die Aufgabe aufzuwerten. Wer keinen Titel hat, ist nichts. Damit gibt es zwar mehr Leute, die einen Titel haben, aber eigentlich nichts können. Das macht nichts, solange die Titelträger jene in Ruhe arbeiten lassen, die was können.
Manchmal bringen Titel – besonders wenn sie vererbt werden und mit Verantwortung einhergehen – wundersame Verwandlungen mit sich. Mancher sieht sich plötzlich als großer Kommunikator oder gar als brillanter Stratege und entwickelt seltsame Ideen. Es werden zahlreiche Reformen oder prestigeträchtige Bauprojekte ersonnen und angekündigt.
Das Problem von Ankündigungen ist, man muss diese irgendwann umsetzen. Geplante Projekte werden weder besser noch reifen sie, je häufiger man sie ankündigt. Es bleibt aber der schöne Vorteil, dass irgendwann alle mitreden können. So lässt sich clever eine Entscheidung hinauszögern, denn die ursprüngliche Idee hat sich schon lange als hirnrissig, nicht finanzierbar oder wegen großen Widerstands als zu aufwendig erwiesen.
Aus großen Steuerreformen werden kosmetische Korrekturen, aus visionären Abkommen chirurgisch sezierte Verträge, aus vollmundigen Umstrukturierungen kleine Anpassungen. Aber es gibt ein Ergebnis, weil man ein Ergebnis brauchte. Der Kompromiss wird gefeiert und die Kompromissfähigkeit der Mitstreiter gelobt. Man kann dies erdulden, daran verzweifeln oder das Kapitel schließen und die Energie in neue, sinnvolle Projekte stecken.
März 2021