Fußball war einmal ein einfaches Spiel. Zwei Mannschaften spielten auf einem Rasenplatz – die  Ärmeren auf einem Hartplatz – gegeneinander. Die Mannschaft, die mit einem runden Ball mehr Tore (das Eckige) mit allen Körperteilen außer der Hand oder dem Arm erzielte, gewann das Spiel. Auch wenn Experten einer extremistischen Glaubensrichtung dies bis heute behaupten: Es wurde durch das Studium Tausender Partien widerlegt, dass in dem Spiel 22 Männer beziehungsweise Frauen einem Ball hinterherrennen. Vielmehr warten viele Spieler meist, bis ihnen der Ball zugespielt wird oder dieser zufällig in ihre Richtung fliegt. Das trifft besonders häufig auf Torhüter zu.

Weil es nur wenig Regeln und taktisches Geplänkel gab, konnte früher jeder Fußball spielen, der in der Lage war, seinen Körper unfallfrei ein paar Meter über den Platz zu bewegen.  Eine der wichtigsten Regeln war und ist, ein Spieler durfte seinen Gegner nicht umhauen. Tat er dies trotzdem, wurde er durch den Schiedsrichter nach Lust und Laune bestraft (Ermahnung, Gelbe Karte oder Rote Karte)…dies hat sich ein wenig geändert, siehe unten. Das gegnerische Team erhielt dann einen Freistoß. Wurde das Foul im Strafraum – fälschlicherweise auch Sechzener genannt (es sind 16,50 Meter) – begangen, verhängte der Schiedsrichter einen Strafstoß bzw. Elfmeter. Gleiches gilt auch, wenn ein Spieler im eigenen Strafraum den Ball mit der Hand spielt. Das gilt nicht für den Torwart, der darf auch heute noch den Ball im Strafraum in die Hand nehmen, weil er der einzige in der Mannschaft ist, der nicht kicken kann.

Moderne, wissenschaftlich geprägte Trainer nennen den Strafraum heutzutage Box, obwohl der Strafraum weder Wände noch einen Deckel hat. Um auch modern zu sein, übernehmen viele Reporter im Fernsehen oder im Radio den Begriff, selbst wenn sie früher selbst mal Fußball gespielt haben. Es sind noch einige hochmoderne Begriffe hinzugekommen, wie die Raute oder die hängende Spitze, die sich eindeutig von der falschen Neun unterscheidet. Zudem kann es auch eine Doppelsechs geben, selbst wenn kein Spieler mit einer sechs auf dem Trikot spielt.  

Das Spielfeld wird auch heute noch durch Linien begrenzt. Schießt eine Mannschaft den Ball über die Seitenlinie hinaus, bekommt die andere einen Einwurf. In dem Fall muss der ausführende Spieler, den Ball in die Hand nehmen. Denken Sie nicht darüber nach, ob dies ein Widerspruch zum Grundgedanken des Fußballspiels sein könnte, es ist einfach so. Schießt die abwehrende Mannschaft den Ball über ihre eigene Torlinie – die befindet sich links und rechts neben dem Tor, dann erhält die angreifende Mannschaft einen Eckball. Das ist eine Art Freistoß von der Ecke des Spielfelds. Früher gab es die tolle Regel, mit jedem dritten Eckball bekam die angreifende Mannschaft einen Elfmeter zugesprochen, damit die Chance auf ein Tor höher wurde. Obwohl diese Regel schon sehr lange nicht mehr offiziell gilt, wissen moderne Fußballreporter dies scheinbar nicht. Hoch erfreut beschreiben sie, wie der angreifende Spieler eine Ecke „herausholt“.

Apropos herausholen: Früher wollten sich vor allem die Stürmer niemals davon abhalten lassen, ein Tor zu erzielen. Die herausragenden Stürmer konnten oft nur durch ein Foulspiel gestoppt werden, nicht selten erst im Strafraum. Heute wird der Spieler schon gelobt, wenn er einen Elfmeter „herausholt“. Deshalb trainieren manche Spieler stundenlang, wie man einen Elfmeter herausholt. Sie erarbeiten sich erstaunliche Fertigkeiten: Sie überschlagen und rollen sich, ohne sich dabei die Knochen zu brechen. Dabei können sie noch markerschütternde Schmerzensschreie in allen Tonlagen durch die Stadien schallen lassen. Diese Spieler haben sich zu gut bezahlten Spezialisten entwickelt. Natürlich gibt es genügend talentfreie Nachahmer, die sich stümperhaft fallen lassen und leicht einer  Schwalbe überführt werden können.

Wenn ein moderner Fußballreporter heute jedoch sagt, ein Spieler lässt sich fallen, dann liegt niemand mehr auf dem Rasen. Vielmehr will der Reporter damit ausdrücken, dass der Spieler sich zurückzieht, meist in die eigene Spielhälfte. Für Radiohörer ist der Zusammenhang somit nur noch schwer verständlich. Doch selbst wenn der Zuschauer das Spiel direkt auf dem Platz oder live im Fernsehen verfolgt, kann er sich nicht mehr auf seine Augen verlassen. Das hat er übrigens mit dem Schiedsrichter gemeinsam, der dadurch von der geliebten „Schwarzen Sau“ zur armen Sau geworden ist. Denn die Wirklichkeit liegt schon lange nicht mehr auf dem Platz, sondern in einem Kölner Keller. In diesem konspirativen Untergrund sitzen Spezialisten vor dutzenden Computern, die hunderte Kameras überwachen. Dank vieler Linien und hochentwickelter mathematischer Modelle können Sie sehen, dass die Nasenspitze des Angreifers im Moment der Ballabgabe, einen Millimeter näher zum Tor war als die Zehenspitze des Verteidigers. Deshalb können sie Abseits erkennen, was andere nicht einmal in der Superzeitlupe sehen. So fallen viele schöne Tor einfach weg. Diese Experten im Keller können sogar Fouls feststellen, die es gar nicht gab. Das hat wiederum mit den oben genannten Foul-Herausholern zu tun.

Die ständigen Überprüfungen kosten viel Zeit, in denen alle dumm rumstehen. Eigentlich könnte man diese Zeit wunderbar mit teuren Werbeeinblendungen überbrücken, doch darauf sind die Manager noch nicht gekommen. Aufgrund dieser Unterbrechungen dauert ein Spiel schon lange nicht mehr 90 Minuten, wie der frühere Bundestrainer Sepp Herberger zu sagen pflegte. Manche Mannschaften legen sogar erst ab der offiziell 91. Minute richtig los. Wegen dieser Mehrarbeit fallen besonders viele Spieler hin und können vor Erschöpfung kaum mehr aufstehen, deshalb finden dann so viele Auswechslungen statt, die dann wiederum zu Verzögerungen führen, die dann wiederum zu Spielverlängerungen führen…

Sollten Sie durch diese präzisen Erläuterungen das moderne Fußballspiel immer noch nicht komplett durchdrungen haben, müssen wir sie leider auf das Studium der umfassenden Fachliteratur verweisen. Die vielen Details – zu Abseits, Handspiel oder Taktik – würden so viel Zeit einnehmen, dass das Lesen dieses Artikels weit über die 90 Minuten hinaus verlängert werden müsste. Wir bitten um Verständnis, denn selbst Sepp Herberger, könnte das komplexe Thema Fußball nicht mehr in wenigen Sätzen erklären.

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