Das Leben in München wäre nur halb so schön und auch ziemlich langweilig, gäbe es die Zeitungskästen an vielen Straßenecken nicht. Beim Weg zum Einkaufen oder beim Spaziergang erfahren wir im Vorbeigehen die wirklich wichtigen Nachrichten. Genau auf den Punkt vermitteln uns die Schlagzeilen der Boulevardblätter jene Themen, die wir in den seriösen Medien meist vergeblich suchen.
Nur so war es uns möglich zu erkennen, wie schön es in den Gefängnissen ist. Wir hatten völlig falsche Vorstellungen. Wir dachten, dort herrscht Zucht und Ordnung, damit die Insassen auf das wahre Leben außerhalb der Mauern vorbereitet werden. Stattdessen findet im Bau die reinste Unzucht statt. So war zu lesen: „Skandal! Porsche-Mörder hatte Sex mit Justizwachtmeisterin“. Diese Zeile in reinster Poesie, fasst alles perfekt zusammen. Wir wussten bis dato nicht, dass jemand wegen der Ermordung eines Porsches ins Gefängnis muss. Das liegt wohl daran, dass es sich dabei um ein sehr teures Premiumfahrzeug handelt und solche unter einem besonderen Schutz stehen. Die weitere Recherche ergab allerdings, dem Porsche geht es gut. Nur sein armer Besitzer wurde in diesem Porsche erschossen.
Der Schreiber dieser Titelzeile hat zwar seine Empörung über dieses schamlose Treiben durch das Wort Skandal hervorgehoben. Doch der Rest des Satzes kann dessen Neid nicht verbergen. Einmal Sex mit einer Wachtmeisterin in einer Zelle – bei solchen Fantasien kann so ein Artikel mal etwas länger dauern. Wir freuen uns schon auf die verruchten Fortsetzungsgeschichten aus anderen Gefängnissen.
Es geht auch sehr romantisch zu in deutschen Gefängnissen. Solch herzzerreißende Geschichten gibt es außerhalb der Mauern nur noch selten. In einem anderen Münchner Boulevardblatt stand. „Traumheirat im Knast“. Der Glückliche, der sich dort getraut hat, war Wikileaks-Gründer Julian Assange. Der Journalist sitzt seit drei Jahren ein, weil er US-Geheimnisse verraten haben soll. Dieses Traumevent fand im Hochsicherheitsgefängnis von Belmarsh in London statt. Bei der Zeremonie durften nur vier Gäste und zwei Trauzeugen dabei sein. Das hat sicherlich mit Corona zu, sonst wäre das eine große Sause geworden.
Was in den Artikeln allerdings fehlte, war die Information, was man tun muss, um solche Erlebnisse im Gefängnis genießen zu dürfen. Muss man dazu ein Verbrechen begehen und wenn ja, welches? Schließlich will niemand sein ganzes Leben hinter Mauern verbringen, nur um einmal dort zu heiraten. Außerdem sind die Gefängnisse in der Regel immer noch eine von den Männern dominierte Welt. Da ist regelmäßiger Sex mit Justizvollzugsbeamtinnen auch nicht an der Tagesordnung.
Vielleicht gibt es ja schon Veranstalter, die gegen ein gewisses Entgelt solch tolle Events anbieten. Dann hätten auch langweilige Spießbürger, die sich einfach nichts zuschulden kommen lassen wollen, die Chance auf ein unvergessliches Erlebnis. Vielleicht könnten die rasenden Boulevard-Reporter recherchieren und uns die Fakten nutzerfreundlich aufbereiten: Zusätzliche Informationen mit Adressen, Kontaktpersonen und Kosten, das wäre ein toller Service für alle Leser.
Sehr nett!! – Endlich kann ich mal wieder schmunzeln 🙂 in dieser leider allzu ernsten Zeit …
😉 Sehr gut. Danke für das Schmunzeln am heutigen Morgen!