In jedem größeren Unternehmen gibt es diese zentralen Marktplätze der Kommunikation. Oft sind es die Cafeterien, in denen die wirklich wichtigen Nachrichten verbreitet werden, also jene, die nicht am schwarzen Brett stehen. Früher gab es noch vermehrt die Raucherecken, in denen Neuigkeiten zu erfahren waren. Doch seit sich die Raucher selbst dezimieren, treffen sich die letzten Überlebenden dieser Spezies irgendwo draußen, um noch gemeinsam einer Leidenschaft zu frönen. Ein Umschlagplatz für Gerüchte und andere interessante Halbwahrheiten sind sie schon lange nicht mehr.

Die höhere Form der Kommunikation haben Unternehmen und Organisationen erreicht, wenn sie über mobile, gut vernetzte Kommunikationsexperten verfügen. Es sind meist Frauen oder Männer, die seit vielen Jahren im Unternehmen hausen. Sie kennen jedes Büro, jeden Kellerraum und jede stille Ecke. Vor allem wissen sie, wo die Leichen liegen und wer diese dort vergraben hat. Sie wissen auch darüber Bescheid, wer die besten Kuchen backt, in welchem Büro immer eine offen zugängliche Dose mit Süßigkeiten steht und natürlich kennen sie selbst die eigentlich geheimen Techtelmechtel zwischen Kollegen.

Solch wandelnde Informationszentralen erkennt man häufig daran, dass sie quasi überall im Unternehmen gleichzeitig sind, aber selten an ihrem direkten Arbeitsplatz zu finden sind. Es sind wahre Naturtalente des Small Talks. Sie verfügen über eine angeborene, stark ausgeprägte Neugier und ein Gedächtnis wie ein Elefant. Zudem haben diese Kollegen ein feines Gespür dafür, welche Nachrichten wichtig sind, um die Belegschaft des Unternehmens voranzubringen. Solche Mitarbeiter sind ein nicht aufzuwiegender Schatz, den es zu hegen und zu pflegen gilt.

Wer eine Botschaft im Unternehmen verbreiten will, hat in diesen Kollegen dankbare, eifrige Helfer. Ein Gerücht, so nebenbei beim Kaffee unter dem Deckmäntelchen der Verschwiegenheit erzählt, findet meist recht schnell auf diese Weise den Weg in alle Gänge und Räume des Unternehmens. Das Selbstwertgefühl der mobilen Informationszentrale wächst noch, wenn man ihr versichert, es handelt sich um ein Geheimnis, das unbedingt gehütet werden müsse.

Diese Spezies droht leider auszusterben. Ein wesentlicher Grund ist das Arbeiten im Home Office. Das ständige Wandeln durch die Gänge des Unternehmens fällt weg, die Beschaffung von – das Leben bereichernden – Informationen ist zum großen Problem geworden. Videokonferenzen, Telefonate oder Chatgruppen eignen sich nur bedingt und können die Bedürfnisse der Klatschbasen und ihrer Empfänger nicht stillen. Deshalb gibt es inzwischen sehr viele, die mit Depressionen zu kämpfen haben.

Der Gang zum Zeitungs- und Zeitschriftenkiosk ist nur ein unzureichender Ersatz. Wer den Blick über die Titelseiten der Magazine schweifen lässt, entdeckt viele Geheimtipps. Manche Magazine leben quasi nur noch von ihren Geheimtipps. Unweigerlich fragt man sich, ob die Klatschbasen dieser Welt nun alle für diese Zeitschriften arbeiten und sie das Verbreiten von Banalitäten zu ihrem Beruf gemacht haben. Aber an dieser Stelle verrate ich Ihnen ein Geheimnis: Es gibt keine Geheimnisse und keine Geheimtipps mehr!

Dank der vielen Instagrammer und Influencer wird jeder angebliche Geheimtipp binnen Sekunden zum Allgemeingut. Jede Sehenswürdigkeit, jeder Naturschauplatz, jeder stille Ort wird zum Selfie-Volksfest mit schnell wechselndem Publikum. Ein wahr gewordener Traum für jeden, der auf Dauer-Remmidemmi steht. Mit der Zeit haben alle die gleichen Fotos auf dem Smartphone. So wächst und gedeiht eine eng verbundene Gemeinschaft, die die großen Geheimnisse dieser Welt teilt. Bald gibt es auch kein Herrschaftswissen mehr. Das ist schön.

Ein Kommentar

  1. Es ist kein Geheimnis mehr, dass die Glossen hier klasse sind.

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