Es wird höchste Zeit, dass die Menschen wieder nach Mallorca, Rhodos oder an die Adria reisen dürfen. Die Tourismusbranche braucht endlich wieder stetige Umsätze, bevor die letzten Veranstalter und Reisebüros dichtmachen müssen. Noch wichtiger ist allerdings, Platz in Deutschland zu schaffen. Die Leute sollen verreisen, damit sie aufgeräumt sind. Früher – vor den Corona-Einschränkungen – war es möglich, zu gewissen Zeiten auf seinen Lieblingsstrecken laufend oder radelnd durch Wald und Flur seine Runden zu drehen, ohne jemandem zu begegnen. Heute blockieren Spaziergänger in Scharen selbst abgelegene Wege, Dutzende unerzogene Hunde bedeuten erhebliches Sturzrisiko.

Mit der Öffnung der Gartenmärkte ist wenigstens ein kleiner Schritt gemacht, die Menschen wieder sinnvoll zu beschäftigen. In den kommenden Tagen werden wir eine nie gesehene Blütenpracht erleben. Die Leute haben Zeit und gespartes Geld, um die eigenen Gärten zu verschönern. Ein harter Wettbewerb um die prächtigste Balkonbepflanzung und die fantasievollste Gartengestaltung ziehen die Leute in den Bann.

Bei den Lockdownlockerungen haben die Politiker aber einen unverzeihlichen Fauxpas begangen: Sie vergaßen die Biergärten. Dabei sind diese Begegnungsstätten die Hochkultur des Gartenmarkts. Schon die Bepflanzung ist eine Sinnesberauschung. Nur dort finden sich auf begrenztem Raum so viele Jahrhunderte alte Kastanien. Hecken voller Artenvielfalt umrahmen die Oasen. Die Biergartenbetreiber lassen Balkonkästen sowie Beete entlang der Laufwege erblühen. Der Biergarten ist das Naherholungsgebiet, in dem die Durstigen ihre gestressten Seelen streicheln können. Einen so göttlichen Ort mit gewöhnlicher Außengastronomie in einem Atemzug zu nennen, grenzt an Blasphemie.

Auch beim vielfältigen Angebot zu kleinen Preisen stellt ein Biergarten jedes Gartencenter in den Schatten. Bier, das wichtigste und beliebteste Erzeugnis, ist ein Hopfen-Kaltgetränk und damit ein Naturprodukt. Die Ernährung im modernen Biergarten basiert auf rein pflanzlichen Erzeugnissen: Brezeln und Brot sind unbestritten Getreideprodukte, dazu gibt es Rettich, Salate aller Art. Selbst der obligatorische Obazda wird aus der Milch von glücklichen Kühen hergestellt, die auf frischen Almwiesen feinste Gräser und Kräuter speisten.

In Bayern dürfen sogar die beliebten Fleischpflanzerl serviert werden. Die sind schließlich schon dem Namen nach rein pflanzlicher Natur, deshalb haben sie nichts mit den schwäbischen Fleischküchle gemein. Kritiker, die den Inhalt des Fleischpflanzerls anzweifeln, mögen bitte belegen, dass ein Kinderschnitzel nicht aus Kindern gemacht wird.

März 2021

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