Unser letzter großer Kaiser konnte nicht nur herausragend gut mit dem Fußball umgehen, er war auch ein begnadeter Sänger mit einem außergewöhnlichen Gespür für volkstümliches Liedgut. Dies machte ihn zugleich zu einem unangefochtenen Experten für das Thema Freundschaft. Franz Beckenbauers wichtigste Zeilen aus seinem Welthit lauten: „Gute Freunde kann niemand trennen. Gute Freunde sind nie allein, weil sie eines im Leben können, für einander da zu sein.“ Damit ist nicht nur alles Wesentliche in Kürze gesagt, die Aussagen sind so aktuell wie beim viel beachteten Debüt 1966.
Xi Jinping und Wladimir Putin haben zwar bei ihrem Treffen in Moskau nicht gesungen, aber der Staatspräsident der Volksrepublik China und der Präsident der Russischen Föderation strahlten eine Herz erwärmende Innigkeit aus. Sie wollen für einander da sein. Charmant, wie es beider Wesensart ist, betonten sie ihre Freundschaft. Dass ihre enge Beziehung nur auf der geteilten Abneigung gegen die USA basiere, ist nur ein von Neidern gestreutes Gerücht. Für die Medien rückten sie ihre Stühle sogar ganz nah zusammen, während Putin unseren Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar 2022 noch am gegenüberliegenden Ende eines sechs Meter langen Tisches platziert hatte. Einige Experten vermuten nun, Putin habe die räumliche Distanz zu Xi Jinping deshalb so stark verkürzt, weil sein Gehör aufgrund der vielen Bomben auf die Ukraine stark nachgelassen habe. Diese These wurde vom Kreml natürlich weder dementiert noch bestätigt.
Kritiker glaubten sogar zu erkennen, dass das Treffen der beiden Staatschefs keines auf Augenhöhe war – was angesichts des Unterschieds in der Körperlänge von mindestens zehn Zentimetern zugunsten des Chinesen naturgemäß schwierig ist. Auffällig war vielmehr, wie Putin, der sich sonst bemüht, stets kraft- und machtvoll zu erscheinen, im Beisein seines chinesischen Freundes beinahe devot agierte, zumindest vermied er häufig direkten Blickkontakt mit seinem Gegenüber vermied. Aber vielleicht war Putin einfach nur müde, was ihm angesichts der ständigen militärischen Angriffe auf die Ukraine und die verbalen Angriffe auf westliche Staaten nicht zu verdenken wäre.
Viele fragen sich natürlich, was kann Putin seinem lieben Freund Xi Jinping außer Öl und Gas schon bieten. Russland braucht das Geld und China nimmt die Rohstoffe gerne für seine weitere wirtschaftliche Entwicklung. Doch in diesem Fall spielen materielle Güter für die Chinesen eine nachgeordnete Rolle. Zwei autokratische Brüder stärken sich gegenseitig den Rücken für ihre jeweiligen Eroberungsfantasien und können dank ihrer Vetos alles im UN-Sicherheitsrat blockieren – mal der eine, mal der andere.
Politik ist auch Show und die vorgetragene herzliche, innige Freundschaft dürfte mehr eine Zweckbeziehung sein, die so lange aufrecht erhalten wird, so lange beide sich einen Nutzen davon versprechen. Die Geschichte hat viele Beispiele parat, wie schnell sich eine vermeintliche Liaison abnutzen kann, vor allem, wenn es Alternativen gibt. Es spricht viel dafür, dass China schneller die Lust verliert als Russland.