Das Älterwerden bringt ja manchmal den einen oder anderen Nachteil mit sich. Der große Vorzug jedoch ist, dass mit höherem Alter die Zahl der Generationen wächst, auf die man schimpfen kann. Dank der grenzenlosen Weisheit, die sich mit dem Alter automatisch einstellt und dem wertvollen, gigantischen Erfahrungsschatz, können die Alten alles und jeden kritisch unter die Lupe nehmen und kompetent beurteilen.

So reift schnell die Erkenntnis, schon die nachfolgende Generation ist deutlich schlechter als die eigene, die übernächste schon wirklich übel und alle weiteren sind quasi ohne die Unterstützung der Alten vollkommen lebensuntüchtig. Die Summe subjektiver Wahrnehmungen wird durch die Recherche von zur Meinung passender Studien optimal ergänzt. So ergibt sich ein eindeutiges Bild: Die Kinder von heute sind zu träge und zu faul. Sie datteln den ganzen Tag am Computer oder am Smartphone und ziehen sich eine Netflix-Serie nach der anderen rein. Dabei essen sie vorwiegend Junk-Food. Weil sie sich zugleich wenig bewegen, sind die Jungs und Mädels alle viel zu dick. Eine gewaltige Welle mit den typischen Krankheiten einer modernen Industriegesellschaft wird in ein paar Jahren unser Gesundheitssystem zum Erliegen bringen.

Das gab es früher nicht, sagen die Alten dann gerne. Stimmt, es gab weder Computer, noch Smartphone. Es gab kaum Fernsehsender und das dort angebotene Programm lohnte nicht zu schauen. Deshalb war die damalige Jugend ja überwiegend draußen. Sie erlebte Abenteuer in den Bergen, an den Seen in den Wäldern. Überall lebten sie ihre Kreativität und ihre Fantasie aus. Zuhause übten sie noch fleißig an ihrem Instrument und lasen ein Buch nach dem anderen.

Warum nur sind die heutigen Kinder solche Weicheier geworden? Warum haben sie so wenig von ihren Eltern und Großeltern abgeschaut? Es ist wirklich zum Verzweifeln. Ein Beispiel soll dieses Dilemma verdeutlichen: Früher sind die Kinder über lange Strecken alleine zur Schule gelaufen. Heute wird der Nachwuchs von den besorgten Eltern auch über sehr kurze Distanzen bis vor die Eingangstüre des Kindergartens oder der Schule mit dem Auto gefahren. Vermutlich ist kaum noch einem Kind die Belastung eines Fußmarsches zuzumuten, geschweige denn mit dem Rad oder dem Roller den beschwerlichen Weg auf sich zu nehmen.

Mehrere kleinere Feldstudien zeigen allerdings, die Kinder würden gerne alleine zur Schule gehen oder radeln, um sich ihren Helikoptereltern zu entziehen. Aber sie dürfen nicht. Der famos gekleidete Mann oder die modisch gewandete Frau müssen mit der Luxuskarosse vorfahren und wie ein gewissenhafter Chauffeur dem Nachwuchs die Türe öffnen, damit genügend Zeit bleibt sich zu zeigen. Das Schaulaufen findet morgens und mittags statt. Es ist ein harter Wettkampf um die besten Plätze auf den Gehwegen vor den Bildungseinrichtungen.

Sie denken, das sei hanebüchener Blödsinn? Dann begeben sie sich doch einmal sehr frühzeitig vor der letzten Stundenglocke vor das Schulgebäude. Suchen Sie sich einen schönen Beobachterposten und genießen Sie das Vorfahren der Vorzeigeeltern, wie sie lässig aus ihrem Luxusauto entsteigen, cool am Fahrzeug lehnen, die Konkurrenz mustern, bewerten und für zu leicht empfinden. Schauen Sie aber auch genau hin, wenn die Kinder kommen. In manchem Gesicht lässt sich ein besonderer Ausdruck lesen: Meine Mama, mein Papa ist so peinlich…am liebsten würde ich durch die Hintertür entschwinden.

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