An heißen Tagen lässt es sich am See unter einem schattigen Baum wunderbar aushalten. In der  Ruhe in Gottes Natur fällt es leicht, sanft zu entschlummern und zu träumen. In einem Traum ist mir die Jungfrau Maria erschienen. Ich kannte sie nicht, aber sie stellte sich mir mit Visitenkarte vor und unterbreitete mir freundlich ihr Anliegen. Sie würde gerne an diesem schönen Ort verehrt werden, deshalb sollte ich hier eine Wallfahrtskirche errichten. Verdattert versuchte ich ihr zu erklären, dass ich weder was mit Wallfahrt noch was mit der Kirche gemein hätte, mein handwerkliches Geschick eher gering sei und außerdem eine Baugenehmigung in der Gegend kaum zu bekommen wäre.

Da Maria hartnäckig blieb und ich mir nicht sicher war, welche Druckmittel sie gegen mich hat, schlug ich einen Deal vor: Ich spiele gegen sie eine Partie Schach, verliere ich das Spiel baue ich die Kapelle, trete wieder in die Katholische Kirche ein und schenke ihr meine Seele. Andernfalls bin ich frei. Zu meiner Überraschung ließ sie sich auf den Deal ein. Sie verlor innerhalb weniger Züge die Partie und verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Erleichtert wachte ich auf.

Man kann sich über vieles wundern. Mein Traum erschien mir jedoch naheliegend, da ich in einer Zeitung über sieben „Wallfahrtsorte voller Wunder“ in Bayern gelesen und mich gewundert hatte, was die Leute so alles glauben. Sie pilgern zu Orten, die vorher vielleicht nur ein Dreckhaufen waren, nur weil dort jemand angeblich eine Erscheinung hatte oder von einem Tod bringenden Leiden geheilt wurde. Manche Menschen werden plötzlich fromm, weil ihnen glaubhaft versichert wird, dass sie genau hier mit einem Splitter des echten Kreuzes Christi aus Jerusalem gesegnet werden können. Manche sind beseelt von den Stätten, in denen das originale Tuch ausgestellt ist, in dem der Leichnam Jesu eingewickelt war.

Zählte man alle original Splitter zusammen, müsste Jesus mehrfach gekreuzigt worden sein. Vielleicht gab es damals schon clevere Marketing- und Verkaufstalente, die den Leichnam gleich in mehrere Tücher einwickelten. Mit diesen originalen Devotionalien zogen dann die verkaufstüchtigen Handelsreisenden in die Welt hinaus und boten diese gegen gutes Geld jenen Geistlichen an, die den Weitblick für Maßnahmen zur Sicherung der Finanzen und ihres Einflusses hatten. Eventuell nutzte der eine oder andere sein göttliches Geschenk gleich selbst. Der unglaubliche Erfolg dieser Strategie lässt sich heute an der großen Zahl der Touristen und an dem einzigartigen Nippes an vielen Wallfahrtsorten erkennen.

Der Glaube versetzt bekanntlich Berge und erzeugt Eifer, darum sind viele architektonisch herausragende Kirchenbauten sowie Tatsachenberichte wie „Die Säulen der Erde“ entstanden. Die Mächtigen der Katholischen Kirche erkannten schnell, wie man seine Schäfchen bei der Stange hält, die Macht erweitert und Abhängigkeiten durch unglaubliche Versprechungen schafft. Cleveres Merchandising in Form von Ablasshandel kam früh in Mode und sicherte neben vielen weiteren Einnahmen sowie Immobilien die Finanzen. Die Führer und Spender moderner Religionen wie Fußball, Smart Phones oder Suchmaschinen und Social Media Plattformen haben sich einiges davon abgeschaut.

Natürlich darf jeder glauben, was er mag: Daran, dass die Kirche einem den Weg in den Himmel ebnet und er dort prächtig weiterleben darf. Daran, dass ein gewöhnlicher Erdenbürger, wenn er zum Papst gewählt wird, ein Telefon erhält, mit dem er direkt mit Gott telefonieren kann. Daran, dass seine Religion gütig, offen, tolerant und friedliebend ist. Daran, dass seine Kirche oder seine Religion deshalb niemals einen Krieg gegen Andersgläubige führen würde. Daran, dass alle Kinder im Schoße der Kirche wohlbehütet sind. Daran, wenn der Kirche – so unwahrscheinlich es auch sein mag – ein Fehler unterläuft, diesen schnell zugibt und ihn demütig, transparent aufarbeitet. Allein mir fehlt der Glaube.

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