Wer ein Paradebeispiel für Demokratie sucht und ein modernes Lehrbuch über diese Regierungsform schreiben möchte, kommt um Deutschland nicht herum. Seit Menschengedenken ist Deutschland eine lupenreine Demokratie. Die theoretischen Grundlagen haben wir Deutschen direkt von den alten, antiken Griechen übernommen und zur Perfektion weiterentwickelt. Wir Deutschen kennen auch die – kleinen – Schwächen des Systems und wissen, dass wir täglich um dessen Erhalt kämpfen müssen, ebenso wie um die Freiheitsrechte, wie Meinungs-, Versammlungs- oder Pressefreiheit. Gleiches gilt für die Unabhängigkeit der Justiz.
Wir Deutschen verfügen über eine jahrhundertlange Erfahrung und ein unglaubliches Wissen über die Geschichte und Bedürfnisse anderer Völker. Geholfen hat uns dabei, unser Forscher-, Entdecker- und Eroberungsdrang gepaart mit einer unerschöpflichen Reiselust. Wir kennen nicht nur jeden Strand und jedes All-inclusive Hotel dieser Erde, wir Deutschen sind sogar in den entlegensten Winkel jedes Kontinents zu finden. Zudem haben wir Deutschen die Neigung, jede noch so schwierige Sprache perfekt sprechen zu wollen. Schließlich verfügen wir über einige positive Erfahrungen als Kolonialmacht. Diese Länder und ihren Einwohner beglückten wir mit Wohlstand, Bildung, Infrastruktur sowie mit einer auf Gleichberechtigung basierenden Gesellschaftsstruktur.
Wir würden niemals über Generationen hinweg immer die gleiche Partei wählen, ohne genau zu berücksichtigen, welche Politik diese Partei verfolgt. Ausnahmen wie Bayern, sind extrem selten und brechen unsere eisernen Regeln nicht. Bayern mit seiner Klientelpartei CSU ist aus deutscher Sicht vernachlässigbar. Es kommt in Deutschland auch so gut wie nie vor, dass Politiker über mehrere Wahlperioden wiedergewählt werden, selbst wenn eine gefühlte Mehrheit diese nicht für die Richtigen hält.
Wir können deshalb überhaupt nicht nachvollziehen, wie die Amerikaner einen in unseren Augen völlig unfähigen Donald Trump zu ihrem Präsidenten wählen konnten und es vielleicht sogar wieder tun werden. Genauso wenig verstehen wir das Wahlverhalten der Russen, Chinesen, Ungarn, Polen, Nordkoreaner und vieler anderer mehr. 50 bis 60 Länder dieser Erde werden autokratisch regiert. Würden wir Deutschen alle Regierungen dieser Welt wählen, würde die Zahl der Probleme sicherlich gegen Null tendieren. Aber wir können uns ja schließlich nicht um alles kümmern.
Sehr schmerzlich für uns ist jedoch vor allem das fehlende politische Grundverständnis der Türken, besonders jener, die in Deutschland leben. In einer Zeit, in der in der Türkei nach unserer Überzeugung politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich alles falsch läuft, was nur falsch laufen kann, wählten unsere türkischen Freunde im ersten Wahlgang der türkischen Präsidentschaftswahl wieder diesen Recep Tayyip Erdoğan. Wahrscheinlich wird er auch den zweiten Wahlgang gewinnen. Die in Deutschland lebenden, wahlberechtigten Türken haben ihn sogar mit fast Zweidrittelmehrheit gewählt.
Dies ist für uns kaum zu fassen und deshalb so extrem schmerzlich, weil es zugleich unser größten Manko – die Vermittlung von Bildung – deutlich offenlegt. Wir können unsere langjährige Erfahrung und unser umfassendes Wissen selbst den unter uns lebenden engen türkischen Freunden nicht weitergeben, obwohl wir dies über alle uns zur Verfügung stehenden Kanäle versucht haben. Das ist zwar sehr traurig, aber wir geben nicht auf, sie zu bekehren und zu überzeugen. Das einzig Gute daran ist, wir haben noch wichtige Aufgaben, die uns davon abhalten, selbstgefällig zu werden.
Wir wissen doch spätestens seit Gerhard Schröder, dass Putin ein lupenreiner Demokrat ist.