Was hatten Sie während der starken Beschränkungen durch die Corona-Pandemie am meisten vermisst? Vielleicht waren es die Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen, vielleicht waren es die Sportevents, an denen sie weder aktiv noch passiv teilnehmen konnten. Vielen werden sicherlich die großen Volksfeste wie die Wiesn gefehlt haben. Nach Abwägung aller Pro- und Contra-Argumente lässt sich jedoch ein klares Fazit ziehen: Kein gesellschaftliches Ereignis ist uns so abgegangen, wie der Politische Aschermittwoch.
Zu keiner anderen Zeit und nirgendwo anders dürfen die Volksvertreter ungestraft so viel hanebüchenen Blödsinn verzapfen als an diesem Tag. In bierseliger Laune sind die Parteifreunde unter sich. So können sie ungestört zu jedem Schlag des Redners gegen den politischen Gegner grölen und krakeelen. Animiert von ihren berauschten Claqueuren hebt so mancher Politiker ab und reiht einen Kalauer an den anderen. Hätte es am Vortag nicht den Kehraus des Faschings gegeben, könnte man leicht zu dem Schluss kommen, die Karnevalssitzungen gehen einfach weiter, nur ohne Verkleidungen.
Die meisten Medien machen sich zu willfährigen Handlangern und Erfolgsgehilfen dieser Bierzeltproleten. Sie senden und drucken die lautstark hinausposaunten Behauptungen des bayerischen Ministerpräsidenten und anderer mehr oder weniger wichtigen Politiker. Selbst große, als seriös angesehene, überregionale Tageszeitungen sind sich nicht zu blöd, daraus Schlagzeilen zu machen. Ob die Aussagen inhaltlich von Belang oder gar richtig sind, spielt dabei keine Rolle. So werden die Politiker ermuntert, weiter ihre Worthülsen zu verbreiten, wie sie es auch gerne nach Wahlen tun.
Normalerweise könnten wir nach dem Aschermittwoch mit dem Fasten beginnen und uns von der Phrasendrescherei reinigen. Doch die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst bescheren uns gleich wieder die bekannten Plattitüden, die man eins zu eins aus den bereits verstaubten Archiven herausziehen könnte. Egal welche Branche, die überholten, langweiligen Rituale müssen eingehalten werden. Die Medien spielen dankbar für die Schlagzeilen jedes Mal mit und verschonen die Tarifparteien vor allzu kritischen Fragen oder übergehen es, wenn eine solche mit dem üblichen Gewäsch beantwortet wird.
Wenn die Arbeitgeberseite selbst zur zweiten Verhandlungsrunde kein Angebot vorgelegt hat, ist dies schlicht eine Unverschämtheit und unprofessionelle Zeitverschwendung, die einen Tarifabschluss hinauszögert. Dann sollten die Medien dies entsprechend benennen. Dafür reicht eine kleine Meldung. Wenn die Arbeitnehmerseite aus einem Warnstreik einen ordentlichen Streik macht und große Teile der Bevölkerung in Sippenhaft nimmt, sollten die Medien ebenfalls klein und auf die Fakten reduziert berichten.
So reihen sich die peinlichen Veranstaltungen mit peinlichen Berichterstattungen aneinander. Nach der Tarifrunde kommt die nächste Wahl, dann sicher wieder eine Tarifrunde in irgendeiner Branche. So lässt sich die Zeit schön bis zum nächsten Politischen Aschermittwoch überbrücken. Uns bleibt nur, die Nachrichten abzuschalten und die Zeitung beiseite zu legen. Auch so lässt sich fasten.