Im digitalen Zeitalter lässt sich fast alles in Zahlen darstellen und jede Statistik bis in die x-te Stelle nach dem Komma auswerten. Wir sind in der Lage, Sachverhalte genau zu analysieren und daraus  präzise Aussagen zu formulieren. Gleichwohl neigen die meisten Medien bei der Wiedergabe von Zahlen dazu, sehr fahrlässig zu sein, vor allem wenn es um Titel- bzw. Schlagzeilen geht. Dann runden die Medien großzügig auf und bewegen sich manchmal sogar am Rande einer gefährlichen, falschen Aussage. Das findet sich häufig bei Prozentangaben, wenn zum Beispiel aus 30 Prozent schnell ein Drittel wird, als wären 3,3333333 Prozent nichts.

Absurd wird es, wenn Medien bei kleinen Zahlen, die jedes Kind erfassen kann, versuchen, eine größere Dimension zu kreieren. So berichtete ein öffentlich-rechtlicher Sender, die Ukraine habe weit über 20 Dörfer und Gemeinden zurückerobert. Wie viele Gemeinden sind das… 23? 25? 27? Im letzten Fall könnten wir, um im Argument zu bleiben, „fast 30 Gemeinden“ schreiben. Warum verzapfen sie so einen Blödsinn?  Gleiches gilt, wenn Medien eine leicht überschaubare Zahl in der Überschrift mit „rund“ wiedergeben: Rund 100 Menschen starben bei einem Erdbeben. In der ersten oder zweiten Zeile des Textes, findet sich dann die genaue Zahl: 96. Je größer die Zahlen werden, desto fahrlässiger gehen die Medien damit um, ohne sich bewusst zu machen, welche Dimensionen zwischen den Angaben liegen können.

Natürlich versuchen die Medien, Werbetreibende und Unternehmen ihre Botschaften so marktschreierisch wie möglich unterzubringen, um in der Flut der Meldungen auf allen Kanälen nicht unterzugehen. Grundsätzlich verwenden sie deshalb die Formulierung „mehr als“  – komischerweise finden wir so gut wie nie „weniger als“. Ist zu banal oder zu langweilig, sich so auszudrücken, wie es die Fakten hergeben? Geradezu lächerlich wird es bei Aussagen wie, es ist „mehr als fraglich“ oder es ist „mehr als zweifelhaft“. Ja bitte, was ist es dann genau?

Genauso irrwitzig ist es, Adjektive überwiegend im Komparativ und nicht im Positiv, also in der Grundform zu benutzen. Wenn ein Fußballreporter sagt, „das Spiel sei nun ausgeglichener“ ist das  Unsinn. Etwas, was schon ausgeglichen ist, kann nicht ausgeglichener werden. Eine Waffe kann nicht tödlicher sein, als eine andere, weil das Opfer auch nicht toter als tot sein kann. Eine Schale kann nicht bruchfester werden. Wenn sie diese Eigenschaft hat, bricht sie nicht. Die Liste ließe sich über viele Seiten hinweg fortsetzen. Besonders ärgerlich wird die falsche Anwendung eines Adjektivs, wenn sie offensichtlich unlogisch ist. Die in Zusammenhang mit der Energiekrise derzeit gerne formulierte Forderung „wir müssen unabhängiger werden von…“ ist Blödsinn. Sie muss richtig heißen: „weniger abhängig“. Wenn man bereits unabhängig ist, dann gibt es keine Steigerung. Trotzdem hören wir die Aussage täglich mehrfach, obwohl wir in der Schule gelernt haben, dass sich Adjektive mit der Vorsilbe „un-“ nicht steigern lassen.

Ist es eine Sprachverarmung der Gesellschaft? Ist es mangelnde Sorgfalt der schreibenden und sprechenden Profis? Oder fehlt es aufgrund des Kaputtsparens der Medien an sprachlicher Ausbildung, an ausreichend Zeit oder an der Kontrolle der Texte? Letztlich ist es egal, denn als Leser von Tageszeitungen fragt man sich zum Beispiel, warum man diese noch kaufen soll, wenn man sich jeden Tag über die vielen inhaltlich und sprachlich falschen Formulierungen aufregt und sich fragt, ob man die Zeitungen noch ernst nehmen kann. Damit sollten sich die Verleger und Geschäftsführer mal intensiv beschäftigen.

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