Die Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit auszuloten, ist für Sportler und Wissenschaftler gleichermaßen eine scheinbar nie erlahmende Motivation. Schon häufig wurden Bestleistungen als nicht mehr verbesserbar angesehen, auch weil sie zum Teil mit illegalen Mitteln erzielt wurden. Doch irgendwann erschienen immer welche, die noch etwas schneller, höher oder weiter kamen. Wissenschaftler und Techniker tüfteln zudem ständig an neuen Materialien, die den Spitzensportlern einen Leistungsschub schenken können. Es gibt der Haihaut nachempfundene Schwimmanzüge, Fahrräder die zu Rennmaschinen aus Hightech-Materialien mit Minimalgewicht mutieren und Laufschuhe, die dem Läufer einen beschleunigenden Katapulteffekt mitgeben. Für den großen Geldbeutel, lassen sich für jede Sportart Leistungssprünge erforschen und bewerkstelligen.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Langdistanz beim Triathlon (Schwimmen 3,86 km; Radfahren 180,2 km; Marathon 42,195 km) in den Fokus der Rekordjäger gerät. Dabei ist die Entwicklung der Leistungen seit der ersten Ironman-Veranstaltung 1978 auf Hawaii schon phänomenal genug. Die körperliche und die mentale Stärke müssen sehr hoch sein, um diese anspruchsvollen Strecken zu schaffen. Die besten Athleten erzielen in einem Wettkampf über alle drei Disziplinen Zeiten, die die meisten ambitionierten Sportler nicht einmal in einer Disziplin erreichen, selbst wenn sie nur diese bewältigen müssten. Aber natürlich ist dies nicht genug. Es muss wieder einmal Geschichte geschrieben und eine magische Marke unterboten werden.

Am Lausitzring war es an Pfingsten soweit: Generalstabsmäßig über zwei Jahre vorbereitet traten zwei Männer an, um erstmals die Distanz unter sieben Stunden zu schaffen, sowie zwei Frauen, die erstmals unter acht Stunden bleiben wollten. Ironman-Weltmeister und Olympiasieger Kristian Blummenfelt aus Norwegen, Joe Skipper aus Großbritannien bei den Männern, Katrina Matthews, Ironman-Vizeweltmeisterin, ebenfalls aus Großbritannien sowie Nicola Spirig aus der Schweiz bei den Frauen haben es alle deutlich geschafft. Es sind unbestritten faszinierende herausragende Leistungen aller vier Profis.

Damit die Vier die Ziele erreichen konnten, wurden Laborbedingungen geschaffen. Die Triathleten durften bis zu zehn Tempomacher – selbst Könner ihres Fachs – auswählen. Die Schwimmstrecke verlief komplett geradeaus. Es war ein dickerer Neoprenanzug erlaubt, ebenso beim Radfahren das Windschattenfahren. Wer die Liveübertragung einschaltete, fragte sich, ob er nicht beim Teamzeitfahren eines großen Radrennens gelandet ist. Begleitradler beim Laufen,  Begleitautos beim Radfahren – überall nahmen eifrige Helfer den Sportlern alles ab, was Zeit kosten könnte.

Der Ironman-Wettbewerb, der für Zähigkeit, Leidensfähigkeit, Durchhaltewillen gegen alle äußeren Widrigkeiten und Herausforderungen steht, hat seinen Mythos beschädigt. Was vermitteln – zumal noch inoffizielle – Rekorde, wenn dafür die bewährten Regeln verändert werden und die Sportart vom Einzelkämpfer- in den Teammodus umgestaltet wird. Trotz der tollen Leistung der vier Profis wird der Sport zu einer fragwürdigen Show degradiert. Dies galt auch schon für den Marathonlauf des Kenianers Eliud Kipchoge, der die Strecke im Oktober 2019 in Wien mit gigantischer Unterstützung erstmals unter zwei Stunden lief.

Die Gier nach Rekorden ist ungebrochen. Viele Medien spielen diese Hatz – dankbar für die Schlagzeilen – immer noch mit, wohl wissend, wie viele Bestleistungen mit zweifelhaften Mitteln erreicht worden sind. Mancher Rekordhalter, der im Blitzlichtgewitter gefeiert wurde, verabschiedete sich später leise durch die Hintertür – überführt oder mit ständigen Zweifeln konfrontiert.

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