Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will. Der Satz aus dem uralten Arbeiterkampflied hat sich der oberste Gewerkschafter der Lokführer, Claus Weselsky schon lange zu eigen gemacht. Er suhlt sich in der Rolle des Mächtigen, der – medial gern begleitet – einen Konzern in die Knie zwingen möchte. Wenn er es will, fährt in Deutschland fast kein Zug mehr. Die anfangs relative große Zustimmung der Reisenden zu den Forderungen der GDL, ist mit dem erneuten – nun fünftägigen Streik – ins Gegenteil verkehrt. Wenn die GDL innerhalb von drei Wochen dreimal den Bahnverkehr lahmlegt und Reisenden damit jegliche Möglichkeit zur verlässlichen Reiseplanung vereitelt, darf sie sich nicht wundern, dass sie an Rückhalt in der Bevölkerung verliert. Eine relative kleine Berufsgruppe nimmt ein Land in Sippenhaft.
Die Gewerkschaft trägt daran jedoch nicht alleine die Schuld. Obwohl das Management der Deutschen Bahn immer wieder betonte, die Verhandlungspositionen lägen nicht weit auseinander, war es nicht in der Lage, nach dem ersten Streik ein neues, konkretes Angebot vorzulegen. Wenn die Bahnführung schließlich erst um 18 Uhr eine neues Angebot vorlegt – nur wenige Stunden bevor der dritte Streik beginnt – und darauf hofft, diesen noch verhindern zu können, macht sie sich lächerlich. Sie verärgert die Reisenden damit zusätzlich, weil diese in der Sorge, nicht mehr nach Hause zu kommen, ihre Fahrten bereits umdisponiert haben. Selbst wenn die GDL auf Basis des verbesserten Angebots nun den angekündigten Streik verkürzen sollte, kommt dies für die meisten Reisenden zu spät. In Mitleidenschaft werden zudem die Hotels gezogen wegen der vielen kurzfristigen Stornierungen, als hätte die Branche wegen der Pandemie nicht schon genug gelitten.
Das Streikrecht in Deutschland ist eine große Errungenschaft. Es hat stark dazu beigetragen, das Gleichgewicht zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu bewahren, wenn es um gerechte und ausgewogene Vergütungs- und Arbeitsbedingungen geht. Oftmals führen die von beiden Seiten gern gepflegten Rituale aber dazu, dass die Tarifverhandlungen für Außenstehende nur noch als Farce erscheinen. Die Argumente beider Seiten klingen meist wie tausendfach gehörte und damit abgenutzte Parolen. Wenn Arbeitgeber immer wieder zur ersten Verhandlung ohne konkretes Angebot antreten, Spartengewerkschaften mit ihren internen Machtkämpfen Unternehmen wie die Bahn oder die Lufthansa mehrfach lahmlegen können oder es am Ende des Tages nur um den einen oder anderen Monat längere Laufzeit geht, werden Tarifverhandlungen ad absurdum geführt und Tarifrunden zu Kindergartenveranstaltungen. Das braucht niemand, vor allem nicht jedes Jahr.