Wie weit darf sich eine Partei verbiegen, ohne ihre Werte und ihre Glaubwürdigkeit zu verraten? Der Spielraum ist eher klein und die Zeit kurz, bis die Wähler diese Verrenkungen abstrafen. Doch einigen Politikern scheint dies immer noch nicht klar zu sein. Sie opfern lieber ihre Ideale und brechen ihre Versprechen für eine womöglich nur kurzzeitige Beteiligung an der Macht. Langfristig schaden sie sich selbst – was noch verkraftbar wäre – aber vor allem ihrer Partei. Die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen sind hierfür ein deutlicher Beleg.

Die CDU scheint nun genau diesen Fehler machen zu wollen. Sie erwägt eine Zusammenarbeit mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), um sich die Macht in Sachsen und Thüringen zu sichern. Dabei hatte die Partei eine Koalition mit den Linken ausgeschlossen. Die Parteiführung wird den Wählern nicht vermitteln können, dass das BSW als verschärfte Form der Linken mit einer Egomanin als Strippenzieherin mit den Zielen der CDU vereinbar ist. Die CDU wird nicht müde, die Ampel-Bundesregierung als solche infrage zu stellen. Würde sie nun mit noch weniger passenden Koalitionären an ihrer Seite eine Landesregierung bilden, geriete die Dauerkritik zur Farce. Jeder weitere Tadel an der SPD-Grüne-FDP-Koalition geriete zum Bumerang.

Natürlich haben die Wähler in Thüringen und Sachsen ein Recht darauf, dass alle gewählten Parlamentarier erst einmal das Ergebnis respektieren. Sie müssen miteinander reden und versuchen, eine Landesregierung zu bilden. Die Ergebnisse lassen jedoch wenig Erfolg versprechende Konstellationen zu. Eine erneute Landtagswahl in Bälde ist zugleich eine schlechte Alternative, zumal das Ergebnis für manche Partei noch krasser ausfallen könnte.

Manchmal ist eine von der Mehrheit der Politiker vorschnell ausgeschlossene Option eine erneute tiefergehende Betrachtung wert. In Thüringen ist die AfD die stärkste Partei geworden. Soll sie doch versuchen, eine Regierung zu bilden und mit Björn Höcke den Ministerpräsidenten zu stellen. Die Partei hat nicht einmal ein Drittel der Stimmen geholt, wäre also auf Koalitionäre oder Dulder angewiesen. Damit müsste die AfD versuchen, wie jede andere Partei auch, im Parlament Mehrheiten für ihre Ideen zu bekommen. Das fiele umso schwerer, je stärker die Vorhaben gegen die Demokratie gerichtet sind. Um an der Macht zu bleiben, wäre die AfD gezwungen, Kompromisse einzugehen und damit ihre Projekte allgemeinverträglich zu gestalten.

Letztlich zeigt die langjährige Erfahrung: Der reale Politikbetrieb holt so manche im Höhenflug befindliche Partei schnell auf den Boden zurück. Es ist deutlich schwerer mehrheitsfähige Ideen zu entwickeln und diese durch das Parlament zu bekommen, als die Regierenden mit polemischer Kritik zu überschütten. Wenn die AfD glaubt, alles besser machen zu können als alle anderen, soll sie es beweisen. Lasst es zu, dass die AfD vom Hintergrund in den Vordergrund tritt und sich selbst entzaubert. Deutschland hält ein solches Experiment auf Landesebene aus. Es hat genügend Kräfte, um demokratiefeindliche Bewegungen zu stoppen. In spätestens fünf Jahren sind in Thüringen wieder Landtagswahlen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert