Landauf, landab sitzen Politiker, Unternehmer und Verbandsvertreter in Talkshows und beklagen den Fachkräftemangel. Viele fordern Anreize, die die Arbeitnehmer dazu bewegen könnten, sich um eine Stelle zu bemühen. Begleitet werden die Gespräche oft von heftigen Diskussionen über das Bürgergeld. Nicht wenige sehen die Zahlungen als zu hoch an, weil diese – angeblich – verhinderten, dass Arbeitslose eine Beschäftigung suchen. Eine Debatte über eine ausreichende Vergütung führen wir hier an dieser Stelle jedoch nicht.

Wie in vielen Debatten, verzerren Übertreibungen und Verallgemeinerungen die Realität des deutschen Arbeitsmarktes. Dies gilt besonders dann, wenn die Aussagen politisch motiviert sind.  Viel zu selten kommen Arbeitnehmer in diesen Runden vor, die darüber berichten, wie wenig hilfreich oft die Arbeitsagentur bei der Vermittlung von Arbeit ist. Sie könnten häufiger davon erzählen, wie sie in fragwürdige Fortbildungen geschickt werden, die am Ende zu keinem Ziel führen. Dies liegt teilweise daran, dass die Agentur für manche Fachkräfte keine Angebote vorliegen hat.

Der Hauptgrund aber, warum viele Arbeitgeber ihrer offenen Stellen nicht besetzen können, sind sie selbst.  Vor allem in der Außenkommunikation gibt es erhebliche Mängel. Durch nichts lassen sich selbst die motiviertesten Bewerber schneller vergraulen, als wenn die Personalabteilung mehrere Wochen benötigt, um eine Bewerbung zu bearbeiten. Das gleiche gilt, wenn das Unternehmen nach der automatisch generierten E-Mail auf eine Online-Bewerbung die Kommunikation einstellt. Viele Bewerbungsprozesse verlaufen ab wie vor 20 Jahren. Manche Personaler führen ihre Gespräche mit Kandidaten immer noch von oben herab, sie ähneln einem Verhör. Nur wenige Bewerber können es sich erlauben, sich ebenso zu verhalten. Gespräche auf Augenhöhe sind noch nicht die Regel.

Das Wort Quereinsteiger klingt schön in einer Stellenausschreibung. Häufig sind jedoch die internen Hürden so hoch, dass der Interessent es nicht einmal über die Türschwelle des Unternehmens schafft. Wer motivierte, kreative Quereinsteiger ins Team holen will, muss sich öffnen und die Persönlichkeiten der Bewerber kennenlernen. Das funktioniert nicht mit standardisierten Verfahren. Wer aus Spargründen vor allem auf junge Kräfte setzt und ältere Mitarbeiter lieber loswird, weil sie – ihm zu teuer sind, geht den falschen Weg. Wer Erfahrung nicht wertschätzen und honorieren kann, braucht sich nicht zu beschweren.

Auch die internen Anreize sind häufig veraltet. Mit einem täglichen Obstkorb oder kostenlosem Kaffee lässt sich kein Bewerber mehr hinter dem Ofen vorlocken. Wertschätzung, Weiterentwicklungsmöglichen, bessere Gestaltung der Arbeitszeiten, gerechte Entlohnung von Oben bis Unten, Übertragung von Verantwortung, gutes Management von Arbeitnehmerideen sowie offene und ehrliche Kommunikation von Anfang an sind wesentliche Punkte einer viel versprechenden, andauernden Zusammenarbeit. Darüber hinaus müssen viele Unternehmen ihre Führungsstrukturen überdenken und dort kräftig aufräumen.

Bevor sie das populäre Klagelied über Bewerber anstimmen, sollten viele Unternehmen zuerst vor ihrer eigenen Haustüre kehren und am besten gleich das ganze Haus einer intensiven Reinigung und Durchlüftung unterziehen.

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